Zurück Justizsysteme müssen Kindern helfen, Angst und Trauma zu überwinden, anstatt diese zu verschlimmern

Justizsysteme müssen Kindern helfen, Angst und Trauma zu überwinden, anstatt diese zu verschlimmern

Jedes Jahr sind Tausende Kinder in allen Mitgliedsstaaten des Europarates an Gerichtsverfahren beteiligt. Unabhängig davon, ob sie Opfer eines Verbrechens sind oder im Konflikt mit dem Gesetz stehen, sind sie oft gefährdet und schutzbedürftig: In anderen Worten, sie benötigen Justizsysteme, die „kinderfreundlich“ sind.

Die Förderung einer kinderfreundlichen, opferorientierten Justiz und der Austausch bewährter Praktiken in diesem Bereich sind Prioritäten des georgischen Vorsitzes im Europarat.

Heute hat der Europarat eine Reihe von Erklärungen und Ressourcen zur opferorientierten Justiz und der Beteiligung von Kindern an Gerichtsverfahren veröffentlicht, welche auf einer Konferenz auf hoher Ebene in Straßburg vorgestellt werden sollten, die wegen der COVID-19-Gesundheitskrise in Europa abgesagt wurde.

Auf die Krise und insbesondere die Einführung umfassender Eindämmungsmaßnahmen zur Rettung von Leben ging die Generalsekretärin des Europarates, Marija Pejčinović Burić, in ihrer Grußbotschaft ein. „Allerdings können Kinder durch die Ausgangssperren mit den Tätern eingesperrt sein, mit geringen Möglichkeiten, Alarm zu schlagen“, warnte sie. „Diese Kinder müssen eine Anlaufstelle mit Zugang zu Fachkräften haben, die ihnen helfen können, ihr zerstörtes Leben wieder neu aufzubauen.“

Die Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz seien nichts Neues, unterstrich Generalsekretärin Burić. „Die Opfer können Angst und Scham empfinden und das Gefühl haben, dass sie zu den Gruppen gehören, bei denen die Wahrscheinlichkeit am geringsten ist, dass sie während des Gerichtsverfahrens gehört oder ihre Ansichten berücksichtigt werden“, erklärte sie. „Unsere Justizsysteme müssen ihnen helfen, das Trauma zu überwinden, anstatt es zu verschlimmern.“

Die Stellvertretende Premierministerin und georgische Justizministerin, Thea Zulukiani, präsentierte in ihrer Erklärung die nationale Erfahrung Georgiens mit der opferorientierten Justiz bei im Konflikt mit dem Gesetz stehenden Kindern seit Beginn der Reformen vor einigen Jahren. „Der Abschied von der Null-Toleranz im Jugendstrafsystem mit Betonung auf strafrechtlichen Sanktionen und massiver Anwendung der Inhaftierung anstelle von Alternativen ohne Freiheitsentzug, welche in Georgien vor 2012 vorherrschte, war die größte Einzelherausforderung, mit der wir konfrontiert waren.“

Durch das 2015 verabschiedete Jugendstrafgesetzbuch sei eine gänzlich neue Philosophie im Hinblick auf mit dem Gesetz in Konflikt stehende Kinder eingeführt worden, in der Maßnahmen ohne Freiheitsentzug zum Standard und strafrechtliche Sanktionen zur Ausnahme gemacht wurden, so die Ministerin.

„Gemäß dem Strafgesetzbuch setzen wir bei Kindern und jungen Menschen so weit wie möglich auf Diversion und Mediation, wodurch bei Jugendlichen nicht auf Gerichtsverfahren oder -verhandlungen zurückgegriffen wird und die Menschenrechte und gesetzliche Schutzmaßnahmen geachtet werden“, erklärte sie. „Junge Menschen, die im Konflikt mit dem Gesetz stehen, werden dadurch dabei unterstützt, ohne Strafe oder Verurteilung in ein gesetzestreues Leben zurückzukehren; im Gegenzug nehmen sie freiwillig an den auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Programmen teil, wobei eine unabhängige und neutrale Person – ein Mediator – eingebunden ist“, erläuterte die Ministerin und betonte, dass seit 2019 nur 9 % der Jugendlichen, die zuvor an Diversions- und Mediationsprogrammen beteiligt waren, wieder straffällig geworden seien.

Die Schaffung einer Hilfsstruktur für Kinder und eines Hilfszentrums für Jugendliche im Januar 2020 sowie die Einführung von „Kleinstgefängnissen“ (familienartige Einrichtungen), von denen die ersten beiden Ende 2021 in Betrieb gehen, seien Beispiele des ganzheitlichen Ansatzes bei der kinderfreundlichen Justiz, sagte Ministerin Zulukiani.

Alle Dokumente und Erklärungen, einschließlich jener von Linos-Alexandre Sicilianos, Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Irakli Schotadse, Generalstaatsanwalt Georgiens, Stefan Schennach, Mitglied des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Maria-Andriani Kostopoulou, Vorsitzende des Lenkungsausschusses für die Rechte des Kindes des Europarates, und Drahoslav Štefánek, Sonderbeauftragter der Generalsekretärin des Europarates für Migration und Flüchtlinge, sind auf der entsprechenden Seite verfügbar.

Georgischer Vorsitz im Europarat Straßburg 12. Mai 2020
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