Zurück Venedig-Kommission: Georgien sollte Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme in seiner jetzigen Form aufheben

Venedig-Kommission: Georgien sollte Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme in seiner jetzigen Form aufheben

In einem am 21. Mai 2024 veröffentlichten Dringlichkeitsgutachten empfiehlt die Venedig-Kommission des Europarates nachdrücklich die Aufhebung des georgischen Gesetzes über die Transparenz ausländischer Einflussnahme in seiner jetzigen Form, da seine grundlegenden Mängel erhebliche negative Auswirkungen auf die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privatlebens, das Recht auf die Beteiligung an öffentlichen Angelegenheiten sowie das Diskriminierungsverbot haben.

Auf Antrag der Parlamentarischen Versammlung des Europarates hat die Venedig-Kommission das Gesetz im Rahmen ihres Dringlichkeitsverfahrens geprüft. Sie bedauert, dass das georgische Parlament trotz der Aufrufe des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung und der Generalsekretärin des Europarates ihr Gutachten nicht abgewartet hat, bevor es das Gesetz verabschiedet hat.

In ihrem Gutachten untersucht die Venedig-Kommission die Vereinbarkeit des Gesetzes mit den geltenden internationalen und europäischen Normen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die durch das Gesetz auferlegten Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Achtung des Privatlebens nicht mit den strengen Auflagen der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vereinbar sind, da sie nicht den Anforderungen der Legalität, Legitimität, Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft und Verhältnismäßigkeit sowie dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung entsprechen.

Das Gesetz, das angeblich für Transparenz sorgen soll, berge objektiv die Gefahr, dass Vereinigungen und Medien, die auch nur einen geringen Teil ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, stigmatisiert, zum Schweigen gebracht und schließlich ausgeschaltet werden. Es bestehe die große Gefahr, dass die Vereinigungen und Medien, auf die sich das Gesetz auswirkt, jene sein werden, welche der Regierung kritisch gegenüberstehen, sodass ihre Beseitigung einer offenen und informierten öffentliche Debatte, dem Pluralismus und der Demokratie schadet.

Die Venedig-Kommission empfiehlt den georgischen Behörden dringend, die Sonderregelung zu den Registrierungs-, Melde- und Offenlegungspflichten für zivilgesellschaftliche Organisationen, Online-Medien und Rundfunkveranstalter, die ausländische Unterstützung erhalten, aufzuheben, einschließlich der Verwaltungssanktionen. Obgleich die geltende georgische Gesetzgebung bereits Bestimmungen enthalte, wonach die von dem Gesetz betroffenen Organisationen zur Registrierung und Berichterstattung, auch über ihre Finanzierungsquellen, verpflichtet sind, sei keine überzeugende Erklärung dafür gegeben worden, warum die bestehenden Verpflichtungen nicht ausreichen sollten, um Transparenz zu gewährleisten.

Falls sich die einschlägigen Bestimmungen als unzureichend erwiesen haben, sollten die georgischen Behörden eine Änderung der geltenden Gesetze im Einklang mit den europäischen und internationalen Normen in Erwägung ziehen. Insbesondere könnten echte Vertretungstätigkeiten (Lobbying) im Namen ausländischer Staaten gemäß den europäischen Normen geregelt werden, sollte die aktuelle Gesetzgebung nicht angemessen sein.

Die Venedig-Kommission bedauert darüber hinaus, dass dieses menschenrechtlich heikle, aber auch in der georgischen Gesellschaft höchst umstrittene Gesetz, wie die massiven Reaktionen im Land zeigen, im Rahmen eines Verfahrens verabschiedet wurde, das keinen Raum für eine echte Debatte und ernsthafte Konsultation ließ und die Bedenken eines großen Teils der georgischen Bevölkerung missachtete. Diese Vorgehensweise entspreche nicht den europäischen Anforderungen an eine demokratische Gesetzgebung, so die Venedig-Kommission abschließend.


 Georgien und die Venedig-Kommission [EN]

Venedig-Kommission Straßburg 22. Mai 2024
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