S. und Marper gegen Vereinigtes Königreich  | 2008

DNA-Unterlagen unschuldiger Personen nach Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Privatleben vernichtet

Von besonderer Bedeutung im vorliegenden Fall ist die Gefahr der Stigmatisierung, die auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass Personen, die sich in der Lage der Beschwerdeführer befinden und die wegen keiner Straftat verurteilt wurden und Anspruch auf die Unschuldsvermutung haben, genauso behandelt werden wie verurteilte Personen.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 4. Dezember 2008

Hintergrund

2001 wurden zwei Personen aus Sheffield – bekannt als S. und Michael Marper – von der Polizei nach ihrer Festnahme DNA-Proben entnommen.

Der Strafantrag wurde in beiden Fällen fallen gelassen, aber laut damals geltendem britischem Recht war es der Polizei gestattet, die DNA-Proben unbegrenzt aufzubewahren. S. und Michael Marper reichten Beschwerde beim Straßburger Gerichtshof mit der Begründung ein, dieses Recht habe ihr Recht auf Privatleben verletzt.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, die generelle und unbegrenzte Aufbewahrung von DNA-Profilen durch die Behörden - in Fällen, in denen ein Beschuldigter freigesprochen oder entlastet wurden - stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in deren Privatleben dar. Dies habe die Grundrechte der Beschwerdeführer verletzt.

Nachbereitung

Der Protection of Freedoms Act wurde 2012 in England und Wales verabschiedet. Dieses Gesetz legt fest, dass DNA-Profile unschuldiger Personen nur unter bestimmten Umständen und für eine begrenzte Zeit aufbewahrt werden dürfen. Dieser Ansatz orientiert sich am separaten System in Schottland, das vom Gerichtshof gelobt wurde. Der Europarat verfolgt weiterhin dieses Thema, da in Nordirland noch Änderungen vorgenommen werden müssen.

Die DNA-Proben von S. und Michael Marper wurden vernichtet.

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