Thorgeir Thorgeirson gegen Island  | 1992

Reformen zur Meinungsfreiheit, nachdem Schriftsteller über mutmaßliche Polizeibrutalität berichtet hatte

Der freie Zugang zu Meinungen und Informationen – besonders unbequemen Meinungen und Informationen, die schwierig zu erhalten sind und eher geeignet sind, den Menschen die Augen für neue Sichtweisen zu öffnen – ist ein Eckpfeiler der Demokratie.

Thorgeir Thorgeirson, in seiner Rede vor der Europäischen Menschenrechtskommission am 14. März 1990. Abgedruckt in Pressan, Februar 1994 - © Foto Icelandic Film Centre

Hintergrund

Anfang der 1980er Jahre gab es eine Reihe von Anschuldigungen wegen Polizeibrutalität in Island, die zur Strafverfolgung von Angehörigen der Polizei in Reykjavik führte.

Thorgeir Thorgeirson war Schriftsteller und Filmemacher. 1983 veröffentlichte er zwei Artikel in der Zeitung Morgunbladid, in denen er behauptete, es gebe in Reykjavik große Probleme mit Polizeibrutalität. Er wurde strafrechtlich belangt und wegen Verleumdung der Polizei von Reykjavik zu einer Geldstrafe von 10.000 isländischen Kronen verurteilt.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Artikel hätten eine Angelegenheit von besonderem öffentlichem Interesse behandelt. Die Anschuldigungen über Polizeibrutalität sei in der ganzen Gesellschaft zirkuliert worden und hätten in einem Fall zur Verurteilung eines Polizeibeamten geführt. Die Verfolgung und Verurteilung von Herrn Thorgeirson für das Schreiben über diese Anschuldigungen könnte die öffentliche Debatte über ernste Themen, die die Gesellschaft betreffen, entmutigen.

Aus diesem Grund sei das Vorgehen der Behörden unverhältnismäßig gewesen und habe das Recht von Herrn Thorgeirson auf Meinungsfreiheit verletzt.

Nachbereitung

1995 hob das isländische Parlament das Gesetz auf, auf dessen Grundlage Herr Thorgeirson belangt wurde. Eine neue Version erschwert es, Verleumdungsklagen für das Kritisieren von Beamten einzureichen.

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