Ukrainian Media Group gegen Ukraine  | 2005

Juristisches Vorgehen gegen eine Zeitung unterstreicht Notwendigkeit für Reformen zur Meinungsfreiheit

… laut Analysten hatte [der Fall] unmittelbare Auswirkungen auf die ukrainischen Gerichte und wurde umgehend zu einer effektiven Methode, Journalisten vor Klagen durch Politiker zu schützen.

Hanna Judkiwska, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in The Impact of the ECHR on Democratic Change in Central and Eastern Europe

Hintergrund

Während des Präsidentschaftswahlkampfes 1999 in der Ukraine veröffentlichte die Zeitung The Day Artikel, in denen zwei der Kandidaten kritisiert wurden und deren Befähigung, das Land zu führen, in Frage gestellt wurde.

Die zwei Kandidaten verklagten die Zeitung wegen Verleumdung und behaupteten, die Artikel seien unwahr und hätten ihren Ruf beschädigt. Das zuständige Gericht entschied zu Gunsten der Politiker. Die Zeitung wurde zur Zahlung einer Entschädigung und zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung verurteilt.

Die Eigentümer von The Day klagten, die Entscheidungen seien eine Form von Zensur, die in die Möglichkeit der Zeitung eingriff, ungehindert Informationen weiterzugeben.

Der Fall ereignete sich zu einer Zeit, als Berichte internationaler Stellen und von Nichtregierungsorganisationen große Bedenken im Hinblick auf die Meinungsfreiheit in der Ukraine äußerten.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Eigentümer von The Day seien ausschließlich für die Veröffentlichung von Meinungen Dritter bestraft worden. Der von den ukrainischen Gerichten verfolgte Ansatz verletze das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Durch diesen Fall schlagen wir eine neue historische Seite auf und vielleicht eröffnen wir uns eine neue Perspektive. Der Gerichtshof war ukrainischen Journalisten eine große Hilfe.

Larisa Ivshyna, Chefredakteurin von The Day, zitiert von VOA Ukraine

Nachbereitung

Nachdem der Fall beim Gerichtshof eingereicht worden war, wurde das ukrainische Gesetz zur Verleumdung geändert. 2003 legte eine Ergänzung fest, dass Meinungen nicht bewiesen werden müssen und nicht Gegenstand von Verleumdungsklagen sein können.

Das Gesetz führte auch noch weitere Schutzmaßnahmen für die Meinungsfreiheit ein, u.a. die Vorschrift, dass Journalisten nicht für die Veröffentlichung falscher Informationen haftbar gemacht werden können, wenn sie in gutem Glauben gehandelt und die Informationen vor der Veröffentlichung geprüft haben.

Darüber hinaus wurden 2005 bestimmte Abschnitte des ukrainischen Zivilgesetzbuchs (das vom Straßburger Gerichtshof kritisiert worden war) geändert. Dies hat die Meinungsfreiheit in der Ukraine weiter gestärkt.

Das Ministerkomitee des Europarats verfolgt weiterhin die Lage der Meinungsfreiheit in der Ukraine, i.e. im Rahmen der Fälle der Myrskyy-Gruppe.

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