Informationsverein Lentia und andere gegen Österreich  | 1993

Anfechtungsklage beendet staatliches Monopol bei Fernsehen und Radio

Hintergrund

In den 1970er und 1980er Jahren wollten mehrere Österreicher lokale Fernseh- oder Radiosender einrichten. So wollten die Eigentümer der Radio Melody GmbH in Salzburg einen lokalen Radiosender etablieren.

Sie stellten jedoch fest, dass es allen Personen oder Unternehmen außer dem Österreichischen Rundfunk verboten war, in Österreich Fernseh- oder Radioprogramme zu senden. Aus diesem Grund verweigerte das Post- und Telekommunikationsamt den Beschwerdeführern die Sendelizenz und diese Entscheidung wurde von den österreichischen Gerichten bestätigt.

Die Gruppe bestehend aus Einzelpersonen, Organisationen und Unternehmen wandte sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie argumentierte, die Regeln würden den Behörden die politische Kontrolle über die audiovisuelle Industrie geben und Pluralismus und künstlerische Freiheit einschränken.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof erklärte, die Meinungsfreiheit spiele eine grundlegende Rolle in einer demokratischen Gesellschaft: die Presse liefere Informationen und Ideen von allgemeinem Interesse, auf deren Empfang die Öffentlichkeit Anspruch habe. Dies könne ohne Pluralismus nicht geschehen.

Der Gerichtshof entschied, das Sendeverbot - und das Monopol des Österreichischen Rundfunks - seien unverhältnismäßig gewesen. Es sei für eine demokratische Demokratie nicht notwendig und habe aus diesem Grund das Recht der Beschwerdeführer, Informationen weiterzugeben, verletzt.

Nachbereitung

Dieses Urteil führte zur Öffnung der Kabel- und Satellitenübertragung sowie des lokalen und regionalen Rundfunks. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 hob das Verbot der Übertragung von Originalprogrammen über Kabel auf.

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