Heinisch gegen Deutschland  | 2011

Entschädigung für Krankenschwester, nachdem sie wegen Whistleblowing entlassen worden war

Ich hatte am Schluss keine andere Wahl, als meinen Arbeitgeber anzuzeigen.

„Interview mit Brigitte Heinisch", veröffentlicht durch „A Change of Direction", 9. Februar 2017 - © Foto ansTageslicht.de

Hintergrund

Brigitte Heinisch, eine Pflegerin in einem Altenheim, legte einen mutmaßlichen Personalmangel und niedrige Standards offen. Sie sagte, diese Situation gefährde die Patienten und würde durch ihren Arbeitgeber geheim gehalten.

Frau Heinisch wurde entlassen. Sie legte Widerspruch bei Gericht mit der Begründung ein, es sei widerrechtlich gewesen, sie wegen Whistleblowing zu entlassen. Die deutschen Gerichte wiesen ihre Klage ab und entschieden, die Entlassung sei rechtmäßig gewesen.

Urteil des EGMR

Frau Heinischs Whistleblowing habe ein Thema von signifikantem öffentlichem Interesse betroffen. Ihre Entlassung könne eine äußerst abschreckende Wirkung auf andere Personen haben, schwere Pflegemängel zu melden. Durch Aufrechterhaltung ihrer Entlassung hätten es die deutschen Behörden versäumt, ihr Recht auf das Melden von Mängeln an ihrem Arbeitsplatz zu schützen, was auch für die Allgemeinheit von großer Bedeutung wäre. Dies habe ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

Nachbereitung

Die deutsche Regierung erklärte, der Fall resultiere aus einer falschen Anwendung des Rechts in einem Einzelfall, und nicht so sehr aus einem allgemeinen mangelnden Rechtsschutz für Whistleblower.

In Folge des Straßburger Urteils kam es zu einem arbeitsgerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren zum Beschäftigungsverhältnis von Frau Heinisch vor den nationalen Gerichten. Ihr ehemaliger Arbeitgeber stimmte einer Entschädigung in Höhe von 90.000 Euro zu.

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