Söderman gegen Schweden  | 2013

Heimliches Filmen eines Kindes in einem Badezimmer und Überarbeitung der Gesetze zur Achtung des Privatlebens

Ich glaube wieder an das Rechtssystem. Dies bedeutet mir sehr viel. Jetzt kann ich endlich weiterleben.

Eliza Söderman nach dem Urteil des Straßburger Gerichtshofs, berichtet von GP

Hintergrund

Eliza Söderman war 14 Jahre alt, als sie entdeckte, dass ihr Stiefvater eine Videokamera im Wäschekorb des gemeinsamen Badezimmers versteckt hatte. Sie befand sich im Aufnahmemodus und war auf eine Stelle gerichtet, an der sie sich ausgezogen hatte, um zu duschen.

Nachdem der Zwischenfall bei der Polizei angezeigt worden war, wurde Frau Södermans Stiefvater wegen sexueller Belästigung angeklagt. Er wurde aber letztendlich freigesprochen. Laut den schwedischen Gerichten war das Filmen einer Person ohne deren Einwilligung kein expliziter Straftatbestand nach schwedischem Recht.

Frau Söderman erklärte, das schwedische Recht habe ihre Privatsphäre nicht ausreichend geschützt.

Urteil des EGMR

Die Große Kammer des Straßburger Gerichtshofs stellte fest, die von Frau Södermans Stiefvater begangene Tat habe ihre Unversehrtheit verletzt. Erschwerend käme hinzu, dass sie ein Kind gewesen sei, der Zwischenfall sich in ihrem Zuhause ereignet habe und der Täter eine Person gewesen sei, der sie hätte vertrauen können müssen. Das schwedische Recht habe jedoch Frau Söderman keinen ausreichenden Schutz geboten. Die Handlungen ihres Stiefvaters hätten nicht unter Strafe gestanden, und es habe keine Rechtsgrundlage für sie gegeben, auf Entschädigung zu klagen.

Der Straßburger Gerichtshof kam somit zu dem Schluss, das Recht von Frau Söderman auf Achtung ihres Privatlebens sei verletzt worden.

…nun hat sich das Gesetz geändert. Personen, die dies tun, kommen nicht mehr damit durch.

Eliza Söderman, berichtet von GP

Nachbereitung

Der Straßburger Gerichtshof entschied in diesem Fall bei zwei Anlässen: einmal als Kammer im Juni 2012, und im Berufungsverfahren als Große Kammer im November 2013.

Während der Fall sich noch in der Berufung in Straßburg befand, wurde das schwedische Recht geändert. Ab dem 1. Juli 2013 trat eine neue Bestimmung zur so genannten „zudringlichen Fotografie" in Kraft. Unter bestimmten Umständen stellt diese Bestimmung das heimliche Filmen von Personen in privaten Räumen, wie z. B. Badezimmern und Umkleidekabinen, ohne deren Einwilligung unter Strafe.

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