B.V. gegen Belgien |2017

Besserer Schutz für Opfer sexueller Gewalt, nachdem Polizei Vergewaltigungsvorwurf nicht angemessen untersucht hatte

. . . die Ermittlung darf nicht . . . als ernsthaft und gründlich durchgeführt gelten.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Mai 2017

Hintergrund

Im Jahr 1998 meldete B.V. ihren Vorgesetzten, dass ein Arbeitskollege sie mehrmals vergewaltigt und sexuell genötigt hatte. Sie verwiesen sie an eine Stelle für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

B.V. ging später zur Polizei, die den Mann befragte, den sie beschuldigt hatte. Die Ermittler baten eine Psychologiestudentin, die als Praktikantin tätig war, eine Stellungnahme zu B.V.s Geisteszustand abzugeben.

Die Polizei beschloss, B.V.s Beschwerde nicht weiter nachzugehen – doch sie teilten es ihr nicht mit.

Einige Jahre später erfuhr B. V. durch Zufall, dass die Polizei ihre Beschwerde nicht weiter verfolgt hatte. Sie forderte die Behörden zum Handeln auf. 

Sie brachte ihren Fall vor einen Ermittlungsrichter und bemühte sich jahrelang darum, dass ihre Beschwerden ordnungsgemäß geprüft werden, doch es wurden nur wenige Schritte unternommen, um festzustellen, was geschehen war. Ihr Fall wurde 2008 schließlich zu den Akten gelegt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass die Ermittlungen der belgischen Behörden in Bezug auf B. V.s Aussagen nicht ernsthaft und gründlich durchgeführt wurden, was gegen ihre Rechte verstieß.

Die damaligen Ermittler beschränkten sich auf die Stellungnahme einer studentischen Praktikantin, was nicht von Ernsthaftigkeit bei der Aufnahme und Bearbeitung der Beschwerde zeugt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Mai 2017

Folgemaßnahmen 

Nach diesem Fall hat Belgien zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um besser auf Anschuldigungen wegen geschlechtsspezifischer Gewalt zu reagieren, darunter Beschwerden wegen sexueller Gewalt: 

  • Die Behörden haben aufeinanderfolgende nationale Aktionspläne umgesetzt, um zu gewährleisten, dass Polizei und Justizsystem rasch und angemessen auf sexuelle Gewalt reagieren, darunter auf Verbrechen, die am Arbeitsplatz begangen werden. Ein vorgeschlagener Plan für 2021–2025 sieht die Ausweitung spezialisierter Zentren für die Bewältigung sexueller Gewalt vor, um Opfern Unterstützung anzubieten. 
  • Polizei und Justiz wurden verbesserte Schulungen zum Umgang mit Opfern sexueller Gewalt und der Bearbeitung ihrer Beschwerden bereitgestellt. 
  • Im Jahr 2016 ratifizierte Belgien das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („IstanbulKonvention“).
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