Zurück Irland – Öffentliche Diskussion über Abtreibung und die Streichung des Achten Verfassungszusatzes (2016)

Irland – Öffentliche Diskussion über Abtreibung und die Streichung des Achten Verfassungszusatzes (2016)

Hintergrund, Initiator und Teilnehmende

Aufgrund ihres Programms für eine Partnerschaftsregierung sah sich die irische Regierung im Mai 2016 zur Einrichtung einer Bürgerversammlung verpflichtet, der ein langfristiges Mandat zur Behandlung einer beschränkten Anzahl zentraler Themen erteilt wurde. Sie hatte insbesondere die Aufgaben zu prüfen, ob der achte Verfassungszusatz, der Schwangerschaftsabbrüche untersagte, aufgehoben oder ersetzt werden sollte.

Eine Reihe tragischer Fälle, die vor Gericht endeten, hatte den Druck auf die irische Regierung erhöht, sich mit dieser umstrittenen Frage zu befassen. Der Fall einer Frau, die 2013 bei einer Fehlgeburt an einer Blutvergiftung starb, nachdem ihr eine Abtreibung verweigert worden war, markierte dann den eigentlichen Beginn einer Bewegung, die die Streichung des achten Verfassungszusatzes forderte.

Der Vorsitzende der Bürgerversammlung wurde von der Regierung ernannt, und die 99 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Teilnehmenden sollten ein möglichst repräsentatives Abbild der irischen Gesellschaft ergeben.

Ziel

Formulierung von Empfehlungen oder Stellungnahmen, die zur Prüfung einem parlamentarischen Ausschuss unterbreitet werden, dessen Aufgabe wiederum darin besteht, eine Empfehlung an die Regierung abzugeben.


Vorgehen

Die Diskussion der Bürgerversammlung über Abtreibung fand während fünf Wochenenden zwischen Oktober 2016 und April 2017 statt, an denen auch juristische und medizinische Sachverständige eingeladen und angehört wurden. Die Versammlung legte einen Schlussbericht und Empfehlungen vor, die durch einen Ausschuss, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern beider Kammern, geprüft wurden. Im Dezember 2017 empfahl dann ebendieser Ausschuss die Abhaltung eines Referendums über die Streichung des achten Verfassungszusatzes, zumal sämtliche Verfassungsänderungen in Irland dem Referendum unterliegen. Somit beschloss die Regierung, für den 25. Mai 2018 ein entsprechendes Referendum anzusetzen, bei dem eine deutliche Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für die Streichung des achten Verfassungszusatzes stimmte (66,4 Prozent gegenüber 33,6 Prozent).


 Nennenswerte Aspekte und gewonnene Erkenntnisse

Die Bürgerversammlung setzte sich aus ganz normalen Bürgerinnen und Bürgern zusammen, und die Politik beteiligte sich nicht an deren Diskussionen. Die Regierung legte die Rahmenbedingungen für die Diskussion fest, und das Parlament ging auf den Bericht der Versammlung ein.

Die Art und Weise der Konsensfindung förderte ein stärkeres Engagement und gegenseitigen Respekt. Der Ton während der Diskussionen an der Bürgerversammlung war nicht aggressiv, und die präsentierten Informationen waren auch für Laien verständlich.

Der parlamentarische Ausschuss orientierte sich weitgehend am Ton und Vorgehen der Bürgerversammlung, und seine Tätigkeit war vielmehr von Neugier als von Konfrontation geprägt.

Die «Ja»- und «Nein»-Kampagnen für das Referendum wurden grösstenteils ausserhalb der traditionellen politischen Parteistrukturen organisiert.

Obwohl bei beiden Kampagnen Politikerinnen und Politiker prominent vertreten waren, schrieben die wichtigsten Parteien ihren Mitgliedern nicht vor, welches Lager sie zu unterstützen hatten.

Man setzte absichtlich auf einen langsamen Entscheidungsfindungsprozess, um sowohl eine öffentliche wie auch eine parteiinterne Diskussion zu ermöglichen.