Rantsev gegen Zypern  und Russland  | 2010

Tod eines mutmaßlichen Opfers von Menschenhandel

Ich kann nachts nicht schlafen. Ich schließe meine Augen und ich sehe Oxana. Nicht als Erwachsene, sondern als lachendes Kind von 5 Jahren.

Oxanas Vater, Nikolai Rantsev, berichtet in Komsomolskaya Pravda, 15. Mai 2014 - © Foto Cyprus Mail

 

Hintergrund

Im Alter von 20 Jahren wurde Oxana Rantseva mutmaßlich von Russland nach Zypern gebracht, um dort sexuell ausgebeutet zu werden. Zwei Wochen später fand man ihre Leiche unterhalb eines Balkons im fünften Stock, über den sie versucht hatte zu fliehen.

Die zypriotischen Behörden stellten fest, dass niemand für die Ereignisse verantwortlich war, und weigerten sich, weitere Ermittlungen durchzuführen.

Der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung war in Zypern bereits mehrmals als großes Problem erörtert worden.

Urteil des EGMR

Der Gerichtshof stellte fest, Frau Rantseva habe wenige Stunden vor ihrem Tod eine Polizeidienststelle unter Umständen aufgesucht, die nahelegten, dass sie ein Opfer von Menschenhandel war. Die zypriotischen Behörden hätten es jedoch versäumt, sie kurz vor ihrem Tod zu schützen. Sie hätten außerdem versäumt, Ermittlungen über die Umstände ihres Todes durchzuführen. Dies sei teilweise auf fehlende Gesetze zurückzuführen, die von den zypriotischen Behörden die Bekämpfung von Menschenhandel verlangt hätten.

Die russischen Behörden hätten es ebenfalls versäumt, Ermittlungen durchzuführen, wie Frau Rantseva angeworben wurde und wer sie nach Zypern gebracht hatte.

Nachbereitung

Nach den Ereignissen wurde Menschenhandel sowohl in Russland als auch auf Zypern unter Strafe gestellt. Auch die zypriotischen Visabestimmungen wurden geändert, die für den Menschenhandel manipuliert wurden, um zu ermöglichen, Frauen sexuell auszubeuten. Darüber hinaus ratifizierten die zypriotischen Behörden das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels und versprachen, mit den Experten des Europarats im Bereich Menschenhandel zusammenzuarbeiten.

Es wurden weitere Ermittlungen zum Tod von Oxana Rantseva durchgeführt. In deren Rahmen wurden zwei zypriotische Polizeibeamte wegen Pflichtverletzung und ihr Arbeitgeber wegen Verschleppung und Entführung belangt.

Oxana Rantsevas Vater, Nikolay Rantsev, wurde eine Entschädigung für die Verletzung der Rechte seiner Tochter zugesprochen.

Links

Themes:

Ähnliche Beispiele

Eltern gewinnen Kampf um Gerechtigkeit nach Tod des Sohnes

Gregor Šilih war 20 Jahre alt, als er im Krankenhaus starb. Seine Eltern glaubten, sein Tod sei auf medizinische Fahrlässigkeit zurückzuführen. Sie reichten Klage ein, um die Wahrheit zu ermitteln. Dreizehn Jahre später war ihr Fall immer noch nicht abgeschlossen. Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Behörden hätten es versäumt, wirksame Maßnahmen zur Aufdeckung der Wahrheit zu ergreifen....

Read more

Tödlicher Angriff auf eine Frau und ihren Sohn führt zu laufenden Reformen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt

Elisaveta Talpis Ehemann setzte sie jahrelang körperlicher Gewalt aus. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei, aber diese blieb monatelang untätig. Eines Nachts griff der Ehemann Elisaveta mit einem Messer an und verwundete sie und tötete ihren Sohn, der eingreifen wollte. Der Gerichtshof verurteilte die Untätigkeit der Polizei, was zu Reformen zum Umgang mit häuslicher Gewalt in Italien...

Read more

Sieg vor Gericht für Opfer des Terrorangriffs auf eine Schule in Beslan

Im September 2004 wurden bei der Geiselnahme in Beslan mehr als 330 Menschen (darunter mehr als 180 Kinder) getötet und 750 verletzt. Die Behörden hatten ausreichend Hinweise erhalten, dass es zu einem Terrorangriff kommen könnte, hatten aber die Sicherheit nicht erhöht und auch nicht die Öffentlichkeit gewarnt. Aufgrund dieser und anderer Fehlentscheidungen entschied der Straßburger...

Read more