Zurück Venedig-Kommission: Ukrainischer Verfassungsgerichtshof muss reformiert werden

Venedig-Kommission: Ukrainischer Verfassungsgerichtshof muss reformiert werden

Das Fachorgan des Europarates für Verfassungsrecht, die Venedig-Kommission, hat am 10. Dezember ein zweites Dringlichkeitsgutachten veröffentlicht, in dem es sich mit der verfassungsrechtlichen Lage in dem Land infolge der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 27. November 2020 befasst. Laut dem Gutachten ist die Entscheidung ein Hinweis darauf, dass eine Reform des Verfassungsgerichtshofs angebracht ist.

Beide Gutachten wurden aufgrund eines entsprechenden Antrags des ukrainischen Präsidenten Selenskij vom 25. November 2020 erstellt. Gegenstand des ersten Dringlichkeitsgutachtens, das am 9. Dezember veröffentlicht wurde, waren die Auswirkungen der Entscheidung auf die Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung, gleichzeitig wurden in diesem Gutachten dem Parlament Lösungen für die Auslegung der Entscheidung vorgeschlagen. In dem zweiten Gutachten wird untersucht, wie der Verfassungsgerichtshof auf eine Weise reformiert werden könnte, die im Einklang mit der ukrainischen Verfassung steht und die auf soliden Konstitutionalismus-Grundsätzen beruht. Beide Dringlichkeitsgutachten werden der Venedig-Kommission im Rahmen ihrer heute beginnenden, virtuellen Plenarsitzung zur Verabschiedung vorgelegt. Es ist geplant, dass auch Präsident Selenskij an der Sitzung teilnimmt.

In dem zweiten Gutachten wird die Kritik an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, durch die große Teile der geltenden Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung außer Kraft gesetzt werden, bekräftigt. Die Venedig-Kommission nennt die Begründung der Entscheidung unvollständig und nicht überzeugend. Der Kommission zufolge reicht die „stillschweigende Ablehnung eines Ablehnungsantrags“ im Falle eines potenziellen Interessenkonflikts nicht aus, da der Gerichtshof diese Angelegenheit ordnungsgemäß und transparent behandeln hätte müssen. Zudem sind gemäß dem Gutachten einige Punkte bei der Ausweitung des Geltungsbereichs der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof problematisch. Auch das Vorgehen des Gerichtshofs bei der Verzögerung des Inkrafttretens der Aufhebung von Bestimmungen, die als verfassungswidrig bewertet wurden, sei widersprüchlich. Der Verfassungsgerichtshof hat das Inkrafttreten der Entscheidung nicht verzögert, sodass zahlreiche Korruptionsfälle unverzüglich geschlossen wurden.

Ungeachtet dieser Umstände erfordere die Rechtstaatlichkeit, dass die Entscheidung umgesetzt wird, stellt die Venedig-Kommission fest. „Der Verfassungsgerichtshof kann für seine Entscheidung nicht ‚sanktioniert‘, doch seine Arbeit kann verbessert werden“, erklärt die Kommission und schlägt einige Empfehlungen für die Änderung des Verfassungsgerichtsgesetzes vor.


 Pressemitteilung
Venedig-Kommission fordert Reform des ukrainischen Verfassungsgerichtshofs und legt Empfehlungen zur Verbesserung seiner Arbeit vor [EN]

Venedig-Kommission Straßburg 11. Dezember 2020
  • Diminuer la taille du texte
  • Augmenter la taille du texte
  • Imprimer la page