Tešić gegen Serbien  | 2014

Reformen, nachdem eine Rentnerin eine unangemessene Strafe erhalten hatte

Nach Abzügen blieben ihr ca. 60 Euro, von denen sie leben und ihre monatlichen Medikamente bezahlen musste … [Die Medikamente] kosteten ca. 44 Euro.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 11. Februar 2014

Hintergrund

Sofija Tešić ist Rentnerin. Sie erzählte einem Journalisten, ein Anwalt habe sie vorsätzlich nicht ordentlich vertreten. Nachdem der Journalist darüber einen Artikel verfasst hatte, verklagte der Anwalt Frau Tešić zivil- und strafrechtlich. Der Anwalt gewann den Fall. Frau Tešić erhielt eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten und sie sollte eine Entschädigung in Höhe von fast 5.000 Euro zahlen.

Frau Tešićs monatliche Rente entsprachen umgerechnet nur 170 Euro. Die Gerichte ordneten an, sie müsse zwei Drittel direkt an den Anwalt zur Begleichung ihrer Schulden schicken. Laut Frau Tešić ließ ihr dies nicht genügend Geld zum Leben. Sie erklärte, man habe ihr wegen unbezahlter Rechnungen das Gas abgestellt und sie sei nicht in der Lage, ihre Medikamente zu kaufen, die sie für verschiedene schwere Erkrankungen benötige.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Maßnahmen der serbischen Behörden seien unverhältnismäßig gewesen und hätten Frau Tešićs Recht auf Meinungsäußerung verletzt.

Nachbereitung

Das serbische Verfassungsgericht verbesserte seine Rechtsprechung und legte fest, dass Entschädigungen in Verleumdungsverfahren im Hinblick auf den erlittenen Schaden und das Einkommen der beklagten Partei verhältnismäßig sein müssen. Auch das Vollstreckungsverfahren wurde geändert.

Frau Tešić erhielt eine Entschädigung, die den Betrag abdeckte, der in Folge der Verleumdungsklage von ihrer Rente abgezogen worden war.

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