Huvig gegen Frankreich  | 1990

Reformen zum Recht auf Privatleben, nachdem Telefon von Rentnerehepaar abgehört wurde

… die Gruppen von Menschen, bei denen eine Telefonüberwachung durch richterlichen Beschluss möglich ist und die Art der Straftaten, die Anlass zu dieser geben, sind nirgendwo festgelegt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, April 1990

Hintergrund

Jacques und Janine Huvig waren Rentner, die zuvor ein Geschäft für Gemüse und Früchte geführt hatten. Die Polizei hörte in Zusammenhang mit mutmaßlichen finanziellen Unregelmäßigkeiten in Bezug auf ihre Verkäufe ihr Telefon ab und zeichnete ihre Gespräche auf.

Die Befugnisse der Polizei, diese Abhörmaßnahmen durchzuführen, waren nahezu unbegrenzt. Das Fehlen rechtlicher Einschränkungen bedeutete, dass die Polizei nahezu für alles und für unbegrenzte Dauer eine Genehmigung zum Abhören bekam und anschließend die Aufzeichnungen für immer aufbewahren konnte.

Herr und Frau Huvig argumentierten, die umfangreichen Befugnisse der Polizei, ihre Gespräche zu überwachen, habe ihr Recht auf Privatleben verletzt.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, das französische Recht habe der Polizei gestattet, für Zivilisten Genehmigungen für extrem umfangreiche Überwachungen einzuholen, und dies für unbegrenzte Dauer, ohne Angabe der Gründe für die Überwachung, wie lange sie andauern sollte oder was im Anschluss mit dem Material geschehen sollte. Die Überwachung durch die Polizei sei zulässig und notwendig in einer demokratischen Gesellschaft, aber ihre Grenzen müssten eindeutig gesetzlich verankert sein, um das Recht auf Privatleben zu schützen.

Nachbereitung

1991 wurde das Gesetz geändert und sieht nun Einschränkungen vor, wann und aus welchen Gründen ein Ermittlungsrichter eine Telefonüberwachung anordnen kann. Eine Telefonüberwachung ist nur in äußerst schwerwiegenden Fällen und nur für eine begrenzte Dauer zulässig. Die so erlangten Beweise müssen ordnungsgemäß protokolliert und vernichtet werden, sobald die Frist für eine Strafverfolgung abgelaufen ist.

Themes:

Ähnliche Beispiele

Gerechtigkeit für Geschäftsmann, der wegen eines Verkehrsdeliktes einer anderen Person einer Polizeirazzia unterzogen wurde

Jürgen Buck führte eine kleine Firma in einer Stadt in der Nähe von Frankfurt. Eines Nachmittags führte die Polizei plötzlich eine Razzia in seinem Haus und seinen Büroräumen durch. Buck behauptete, es seien lokal Gerüchte entstanden, er sei in Verbrechen verwickelt, was zu Umsatzverlusten geführt habe. Die Razzia war jedoch ein unnötiger Schritt in einem Verfahren gegen seinen Sohn wegen...

Read more

Exzessives Vorgehen der Polizei gegen Journalisten führt zu Reformen zum Schutz von Pressequellen

Vier belgische Journalisten wurden Ziel der Polizei, die Durchsuchungen und Beschlagnahmen mit dem Ziel durchführten, die Quelle ausfindig zu machen, die Regierungsinformationen preisgegeben hatte. Der Straßburger Gerichtshof entschied, das Vorgehen der Polizei sei ungerechtfertigt und unverhältnismäßig gewesen. Der Fall wirkte sich auf neue Gesetze zur Verbesserung des Schutzes von...

Read more

Beschränkung der staatlichen Überwachung und das Recht auf Information

R.V. war Postbote. Zusammen mit weiteren 200 Personen wurde er heimlich von den Sicherheitsdiensten überwacht, mutmaßlich weil er der Friedensbewegung angehörte. Die Europäische Menschenrechtskommission stellte fest, das niederländische Recht habe die Beschwerdeführer nicht ausreichend geschützt und ihr Recht auf Privatleben sei verletzt worden. Es wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das...

Read more