N. gegen Schweden |2010

Von geschlechtsspezifischer Gewalt bedrohte Afghanin vor Ausweisung gerettet

. . . für Frauen ist die Gefahr der Misshandlung in Afghanistan besonders hoch, wenn sie in der Wahrnehmung nicht den ihnen von der Gesellschaft, Tradition und sogar dem Rechtssystem zugeschriebenen Geschlechterrollen entsprechen.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Oktober 2010

Hintergrund

N. unterrichtete in ihrem Heimatland Afghanistan Frauen. Dies brachte sie in Konflikt mit den religiösen Hardlinern in Kabuls Führungselite. Sie musste schließlich mit ihrem Ehemann nach Schweden fliehen, um der Verfolgung zu entgehen. 

Schweden weigerte sich, N. Asyl zu gewähren. Die Behörden waren nicht überzeugt, dass eine echte Gefahr besteht, dass ihr ein Schaden zugefügt wird, wenn sie nach Afghanistan zurückkehrt.

Kurz nach der Ankunft in Schweden trennte N. sich von ihrem Ehemann, dem ebenfalls die Ausweisung drohte. Ihre eigene Familie verstieß sie deshalb. Sie erklärten, sie hätte Schande über sie gebracht. N.s Ehemann widersetzte sich ihrem Wunsch, sich von ihm scheiden zu lassen, und N. fürchtete Repressalien durch seine Familie. Ihr drohte wegen des Bruchs mit der Tradition Ausgrenzung, wenn sie nach Afghanistan zurückkehrte.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Laut dem Gerichtshof lagen ausreichende Beweise für die Gefahr von Repressalien durch N.s Ehemann, seine Familie, ihre eigene Familie und die afghanische Gesellschaft vor, falls sie aus Schweden abgeschoben werden sollte, was einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention zur Folge hätte.

Folgemaßnahmen 

Infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs gewährte die schwedische Einwanderungsbehörde N. eine Daueraufenthaltsgenehmigung in Schweden, was bedeutete, dass die Abschiebungsanordnung gegen sie aufgehoben wurde.

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