Emars gegen Lettland 2015

Kampf eines Vaters für Gerechtigkeit führt zu besserer Aufsicht über die Polizei

...die erste Ermittlung zu S. J.s Tod hätte von einem Organ durchgeführt werden müssen, das . . . unabhängig von der [örtlichen Polizei] ist.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Februar 2015

Hintergrund

Ein trauernder Vater hatte schwerwiegende Bedenken im Hinblick auf eine Ermittlung zum Tod seiner Tochter. Er glaubte, dass die Polizei die Mordermittlung verhinderte, weil einer ihrer Mitarbeiter verdächtigt wurde.

Maigonis Emars’ Tochter, S. J., wurde am 21. Mai 2004 zu Hause tot aufgefunden.

Die Polizei behandelte ihren Tod zunächst als Selbstmord, doch Emars wusste, dass S. J. keinen Grund hatte, sich umzubringen. Er teilte der Polizei mit, dass er glaube, dass sie ermordet worden sei.

Zwei Monate später entdeckten kriminaltechnische Sachverständige neue Beweise, die in Bezug auf S. J.s Tod auf ein Verbrechen hindeuteten. Die Polizei leitete eine Mordermittlung ein.

S. J.s Ehemann, A. J., wurde als Verdächtiger befragt. In der Nacht, bevor S. J.s Leiche gefunden wurde, war sein Auto in der Nähe des Wohnhauses des Paars gesehen worden. Doch A. J. hatte ein Alibi: Er war Polizeibeamter und Kollegen sagten aus, er habe die Nacht mit ihnen auf der örtlichen Dienststelle verbracht.

Emars war sicher, dass A. J. an dem Mord an seiner Tochter beteiligt war und dass seine Kollegen ihn schützten. Er beschwerte sich bei den Behörden, die ihm mitteilten, dass die Ermittlung ordnungsgemäß durchgeführt werde und nichts darauf hindeute, dass die Polizei sie verhindere.

Später hingegen teilten die Behörden Emars mit, dass zwei Polizeibeamte wegen Ermittlungsfehlern Disziplinarstrafen erhalten hatten. Einer der Beamten wurde wegen der Art und Weise, in der sie den Schauplatz untersuchten, als S. J.s Leiche gefunden wurde, eines Verbrechens angeklagt. Der Beamte wurde später freigesprochen.

Niemand wurde je des Mordes an S. J. angeklagt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die Ermittlung zum Tod von S. J. weder angemessen noch unabhängig war.

Verzögerungen führten dazu, dass die lettischen Behörden wichtige Beweise übersahen, stellte der Gerichtshof fest. Darüber hinaus habe die Regierung keine Einzelheiten mitgeteilt, warum die Polizeibeamten eine Disziplinarstrafe erhielten, was den Gerichtshof daran zweifeln lässt, ob bei der Untersuchung die Normen der Menschenrechtskonvention eingehalten wurden.

Der Gerichtshof war insbesondere hinsichtlich der Nähe von A. J. zu den genannten Polizeikollegen beunruhigt. Dadurch bestehe die Möglichkeit, dass „ein Verdacht in Bezug auf seine Beteiligung entsteht und, was noch wichtiger ist, Zweifel an der Unabhängigkeit der Ermittlungsbeamten geweckt werden".

Folgemaßnahmen

Stand 2021 hatte die Polizei keine neuen Erkenntnisse in der Untersuchung des Mords an Emars’ Tochter.

Allerdings hatte Lettland sich bemüht, einige der Probleme zu lösen, die im Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Emars’ Fall angesprochen wurden, darunter durch Maßnahmen zur Verbesserung der Unabhängigkeit von Untersuchungen von Verbrechen, die mutmaßlich von Polizeikräften begangen wurden.

Im November 2015 trat ein neues Gesetz in Kraft, durch welches das Amt für innere Sicherheit, das Organ, das mit der Untersuchung derartiger Verbrechen betraut ist, umgebildet wurde. Durch das neue Gesetz wurde die Kontrolle des Amts von der Staatspolizei auf die Regierung übertragen.

Lettland ergriff außerdem Maßnahmen, um es Staatsanwaltschaften zu ermöglichen, Ermittlungen besser zu überwachen, darunter durch die Einführung einer Informationsdatenbank im Jahr 2016.

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