Weller gegen Ungarn 2009

Mutterschaftsleistungen für alle Mütter, ungeachtet der Nationalität

Der Gerichtshof ... ist der Auffassung, dass der einer Familie gemäß dem [innerstaatlichen Recht] zustehende Anspruch nicht davon abhängen darf, welcher der beiden leiblichen Elternteile der Kinder die ungarische Staatsbürgerschaft besitzt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Juni 2009

Hintergrund

Eine junge Familie konnte keine Mutterschaftsbeihilfe erhalten, weil die Mutter keine Ungarin war – obgleich ihr Ehemann und ihre Zwillingssöhne in dem Land geboren wurden.

Der Vater der Jungen, Lajos Weller, hatte im Jahr 2005 im eigenen Namen und im Namen der Neugeborenen, Dániel und Máté, finanzielle Hilfe vom Staat beantragt.

Allerdings lehnten die Behörden ihren Antrag ab und verwiesen auf ein Gesetz, das vorsieht, dass nur Mütter, Adoptiveltern und sonstige Erziehungsberechtigte Hilfen beantragen können.

Weller legte Berufung ein, wurde jedoch erneut abgewiesen. Diesmal erklärten ihm die Behörden, dass nur ungarische Mütter einen Antrag stellen könnten, wenngleich Ausnahmen für Flüchtlinge oder EU-Bürgerinnen, die eine Niederlassungserlaubnis in Ungarn besitzen, gewährt würden.

Wellers Frau lebte legal in dem Land, hatte jedoch keinen dauerhaften Status. Sie war eine Staatsangehörige Rumäniens, das zu der Zeit nicht zur EU gehörte.

Weller beschritt den Rechtsweg, um die Entscheidungen anzufechten, und machte Diskriminierung geltend, doch ein ungarisches Gericht wies seine Beschwerde ab.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Ungarn Lajos, Dániel und Máté Weller ungerechtfertigt benachteiligt hatte, indem sie von Mutterschaftsleistungen ausgeschlossen wurden.

Nach Auffassung des Gerichtshofs war die Beihilfe zur Unterstützung der neugeborenen Kinder und der gesamten Familie, die sie großzieht, vorgesehen, nicht nur der Mutter (wie die ungarische Regierung behauptet hatte).

Der Gerichtshof legte dar, dass die Familie Unterstützung hätte erhalten können, wenn Lajos Weller ein Ausländer wäre und seine Frau Ungarin. Für diese Praxis gebe es keine Rechtfertigung.

Darüber hinaus hätten die ungarischen Behörden auch nicht begründet, warum leibliche Väter von den Leistungen ausgeschlossen werden sollten, obgleich Mütter, Adoptiveltern und sonstige Erziehungsberechtigte diese beantragen könnten.

Folgemaßnahmen

Als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs änderte die ungarische Regierung das Gesetz, um es jeder Mutter, die legal in Ungarn lebt, ungeachtet ihrer Nationalität zu ermöglichen, Mutterschaftsleistungen zu beantragen.

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