Jersild gegen Dänemark  | 1994

Reformen zum Schutz der Pressefreiheit, nachdem ein Journalist für einen Bericht über Extremisten verurteilt worden war

Die Bestrafung eines Journalisten wegen Unterstützung der Verbreitung von Aussagen, die eine andere Person in einem Interview macht, würde den Beitrag der Presse zur Diskussion von Themen von allgemeinem Interesse schwer beeinträchtigen und sollte nicht angewendet werden, es sei denn, es liegen für ein solches Vorgehen besonders überzeugende Gründe vor

Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 23. September 1994

Hintergrund

Jens Jersild ist Journalist. Er filmte einen Nachrichtenbeitrag über eine extremistische Jugendgruppe in Dänemark. Der Bericht sollte das Problem Rassismus hervorheben und konzentrierte sich dabei auf die einzelnen Personen, deren Einstellungen und soziale Herkunft. In dem Bericht machten die Extremisten äußerst beleidigende Bemerkungen über ethnische Minderheiten. Anschließend gab es ein Interview mit einem örtlichen Sozialarbeiter, der die rassistischen Einstellungen der Jugendlichen mit den fehlenden wirtschaftlichen Chancen und einem kriminellen Milieu verband.

Herr Jersild wurde wegen Verbreitung rassistischer Äußerungen verurteilt. Er wurde zu einer Geldbuße in Höhe von 1.000 dänischen Kronen verurteilt.

Urteil des EGMR

Der Gerichtshof entschied, der Bericht habe darauf abgezielt, Personen darzustellen und zu analysieren, die ein soziales Problem darstellten. Er habe keine rassistischen Werte verbreiten wollen, sondern stattdessen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse lenken wollen, indem er die Rassisten als antisoziale Extremisten präsentiert habe.

Es könne zwar Fälle geben, in denen gewalttätige Hassrede bestraft werden müsse. Im vorliegenden Fall sei jedoch die Verurteilung von Herrn Jersild für seine Arbeit unverhältnismäßig gewesen und habe sein Recht auf Meinungsfreiheit verletzt.

Nachbereitung

In 1994 Denmark’s Supreme Court applied Strasbourg case law to cases concerning media freedom. Together with new legislation, this increased the power of the Danish courts to protect journalists’ free speech.

The criminal case against Mr Jersild was reopened.

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