Lewit gegen Österreich  |2019

Holocaust-Überlebender verteidigt vor dem Europäischen Gerichtshof seinen guten Ruf

Wir werden Aba Lewit vermissen.

Zitat aus dem Nachruf der KZ-Gedenkstätte Mauthausen auf Aba Lewit, der 2020 leider verstorben ist – © Foto: KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Stephan Matyus

Hintergrund

Aba Lewit war ein Holocaust-Überlebender. Als junger Mann wurde er vom Nazi-Regime ins Konzentrationslager Mauthausen gebracht, wo er bis zu seiner Befreiung im Jahr 1945 festgehalten wurde.

Mehr als 70 Jahre später gingen Lewit und einige andere Überlebende gerichtlich gegen eine Zeitschrift vor, die 2015 einen Artikel veröffentlichte, in dem die aus Mauthausen Befreiten als „Massenmörder“, „Kriminelle“ und „Landplage“ bezeichnet wurden.

Die Klage betraf einen von derselben Zeitschrift im Jahr 2016 veröffentlichten zweiten Artikel, in dem über die Einstellung einer strafrechtlichen Ermittlung gegen den Autor des ersten Artikels berichtet wurde und die früheren Äußerungen wiederholt wurden. Lewit und die anderen Überlebenden machten geltend, dass der Artikel den Tatbestand der üblen Nachrede und Beleidigung erfülle.

Im Jahr 2016 wies ein österreichisches Gericht die Klage zurück und stellte fest, dass sie von den Äußerungen der Zeitschrift nicht persönlich betroffen seien, da Tausende Menschen aus Mauthausen befreit wurden. Es erklärte, dass Lewit und die anderen Überlebenden folglich in dem Artikel nicht persönlich identifizierbar seien.

Das Gericht urteilte außerdem, dass der Artikel keine gesonderten diffamierenden Äußerungen enthalte, sondern lediglich das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen zusammenfasse.

Im Berufungsantrag beharrten die Überlebenden darauf, dass sie identifiziert werden könnten, da nur wenige frühere Häftlinge von Mauthausen noch am Leben und die meisten von ihnen der Öffentlichkeit bekannt seien.

Ein Berufungsgericht bestätigte die früheren Feststellungen und wies die Beschwerde der Überlebenden zurück, ohne auf die Größe der Gruppe näher einzugehen.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass Österreich es versäumt hat, Lewits guten Ruf und seine Privatsphäre zu schützen, da die innerstaatlichen Gerichte das Kernanliegen seiner Diffamierungsklage nicht angemessen untersucht hätten.

Dies umfasst die Frage, ob Lewits Fall begründet ist, da weit weniger Holocaust-Überlebende noch am Leben sind.

Folgemaßnahmen

Im Juni 2021 erklärte Österreichs Oberster Gerichtshof, dass die innerstaatlichen Gerichte gegen ihre Pflicht verstoßen hätten, bei ihrer Entscheidung, ob Lewit von dem Artikel betroffen ist und folglich das Recht hatte, eine Klage einzureichen, berechtigte Gründe anzugeben.

Dies bedeutet, dass die österreichischen Gerichte bei einer ähnlichen Situation künftig ihre Urteile wirksamer begründen und die Fragen beantworten müssen, die in Lewits Fall unbeantwortet blieben.

Die Zeitschrift, welche die Artikel veröffentlicht hat, wurde eingestellt.

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