El-Masri gegen Nordmazedonien |2012

Entschädigung und offizielle Entschuldigung für Opfer von Folter und geheimer „Überstellung“ durch die CIA

Die US-Politik der ‚außerordentlichen Überstellungen‘ hat ein menschliches Gesicht und das ist meins.

Khaled El-Masri, zitiert in der Los Angeles Times, Dezember 2005.

Hintergrund

Als Khaled El-Masri einen Bus bestieg, um von seinem Wohnort in Deutschland zu einem Kurzurlaub nach Skopje aufzubrechen, konnte er nicht ahnen, welcher Albtraum ihn erwarten würde.

Die nordmazedonischen Grenzbeamten hielten seinen Pass für eine Fälschung und befragten ihn. El-Masri wurde dann zu einem Hotel gefahren, wo er mehr als drei Wochen lang festgehalten und zu seinen mutmaßlichen Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen verhört wurde.

El-Masris Bitten, die deutsche Botschaft zu kontaktieren, wurden abgelehnt. Als er drohte, zu gehen, wurde eine Waffe auf seinen Kopf gerichtet.

Die nordmazedonischen Behörden brachten El-Masri später zum Flughafen von Skopje, wo er einem für „Überstellungen“ zuständigen Team des US-Auslandsgeheimdiensts (CIA) übergeben wurde, das ihn schlug, auszog, fesselte und sodomisierte.

El-Masri wurde dann in ein Flugzeug gesetzt und von Skopje nach Afghanistan geflogen.

Nach der Ankunft wurde El-Masri zu einem geheimen, von der CIA betriebenen Gefängnis gefahren, das für hochrangige Terrorverdächtige genutzt wird. Er wurde mehr als vier Monate lang in einer schmutzigen Zelle festgehalten und regelmäßig verhört. Aus Protest gegen seine Gefangenschaft trat El-Masri in einen 37-tägigen Hungerstreik.

Schließlich wurde El-Masri nach Albanien geflogen und an einem Straßenrand zurückgelassen. Von dort gelang ihm die Rückkehr nach Deutschland. Er kam traumatisiert und achtzehn Kilogramm leichter als bei seinem Aufbruch mehr als fünf Monate zuvor zurück.

Deutschland untersuchte den Fall El-Masri und erließ später Haftbefehle gegen dreizehn CIA-Mitarbeitende, die mutmaßlich an dem Einsatz zur „Überstellung“ beteiligt waren. Nordmazedonien weigerte sich, seine Beschwerden zu untersuchen.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof erkannte die Behauptungen El-Masris an, dass er ein Opfer „außerordentlicher Überstellungen“ durch CIA-Mitarbeitende war, die in hohem Maß von den nordmazedonischen Behörden unterstützt wurden.

Er urteilte, dass Nordmazedonien für zahlreiche Verstöße gegen El-Masris Rechte verantwortlich ist, darunter seine Folter durch das für „Überstellungen“ zuständige CIA-Team.

Der Gerichtshof sprach El-Masri € 60.000 als Entschädigung zu.

Dieses Urteil kann man historisch nennen: Es ist die erste Verurteilung der CIA-Praxis der Überstellungen und geheimen Inhaftierungen durch ein internationales Gericht . . .

Jean-Claude Mignon, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (2012–2014)

Folgemaßnahmen

 

Wir begrüßen die Entschuldigung der [nord]mazedonischen Regierung bei El-Masri und ihr Eingeständnis, dass ihr Sicherheitspersonal gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat.

James A. Goldston, Exekutivdirektor der Open Society Justice Initiative

 

Die nordmazedonische Regierung veröffentlichte 2018 eine offizielle Entschuldigung bei El-Masri. Neben der durch den Europäischen Gerichtshof zugesprochenen Entschädigung erkannten die nordmazedonischen Gerichte El-Masri zudem einen symbolischen Schadenersatz zu.

Die nordmazedonischen Behörden führten verschiedene Maßnahmen ein, um weitere Verstöße zu verhindern, darunter härtere Strafmaßnahmen gegen an Folter und Misshandlungen beteiligte Strafverfolgungsbeamte sowie die Schaffung eines neuen Mechanismus zur Untersuchung von Anschuldigungen wegen Misshandlungen.

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