H.L. gegen das Vereinigte Königreich |2004

Schutzmaßnahmen für gefährdete Personen, nachdem autistischer Mann widerrechtlich in Krankenhaus festgehalten wurde

Als uns schließlich ein Besuch gestattet wurde, war er nicht wiederzuerkennen, und er kehrte rasch in den Normalzustand zurück, sobald er zu Hause war, wo er sein wollte.

Frau E., H. L.s Pflegerin - Foto Frau E. (privat)

Hintergrund

H. L. wurde mit schwerem Autismus geboren. Dies schränkt seine Fähigkeit, zu sprechen und andere zu verstehen, ein.

Über dreißig Jahre lang wurde H. L. in einem öffentlichen Krankenhaus gepflegt. Im Jahr 1994 zog er mit zwei Pflegern, Herrn und Frau E., zusammen, mit denen er glücklich lebte. 

Im Juli 1997 befand sich H. L. gerade in einem Tagespflegezentrum, als er unruhig wurde. Er schlug sich selbst mit seinen Fäusten auf den Kopf und seinen Kopf gegen die Wand.

Die Ärzte vermuteten, dass H. L. unter einer Gemütsstörung litt. Sie hielten es für das Beste, wenn er im Krankenhaus blieb, beschlossen jedoch, ihn nicht offiziell gemäß dem Gesetz zur psychischen Gesundheit festzuhalten, weil er sich nicht gegen die Aufnahme wehrte. Man behielt ihn stattdessen als „inoffiziellen Patienten“ im Krankenhaus.

Herr und Frau E. wurden daran gehindert, H. L. zu besuchen. Ihnen kamen wegen seiner Pflege und Behandlung im Krankenhaus Bedenken. Die Ärzte erklärten ihnen, dass H. L. erst entlassen würde, wenn sich sein Verhalten und seine psychische Gesundheit verbesserten. 

Für H. L. tätige Anwälte beantragten eine rechtliche Überprüfung der Entscheidung, ihn zu hospitalisieren. Ein Berufungsgericht stellte fest, dass H. L. widerrechtlich festgehalten wurde, weil er nicht in der Lage war, in die Behandlung im Krankenhaus einzuwilligen, was das Gesetz vorschrieb. Dieses Urteil wurde nach H. L.s Entlassung in der Folge aufgehoben.

Im letzten Abschnitt seines Aufenthalts im Krankenhaus wurde er offiziell als Patient mit psychischer Erkrankung festgehalten, was gesetzlich zulässig war. 

H. L. wurde im Dezember 1997 schließlich nach Hause geschickt und wieder mit Herrn und Frau E. zusammengeführt. 

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof befand, dass H. L.s Zeit als „inoffizieller Patient“ einem Freiheitsentzug gleichkommt, da er unter ständiger Überwachung stand und das Krankenhaus nicht verlassen durfte.

H. L.s Zwangsaufenthalt im Krankenhaus sei wegen fehlender Rechtsgarantien für gefährdete Personen wie ihn, die nicht einwilligungsfähig sind, aber möglicherweise sich der Aufnahme ins Krankenhaus nicht widersetzen und keinen Wunsch äußern, es zu verlassen, unrechtmäßig gewesen. Es habe außerdem keine angemessene Möglichkeit zur Verfügung gestanden, durch die H. L. seinen Zwangsaufenthalt vor einem Gericht hätte anfechten können.

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass das Vereinigte Königreich gegen H. L.s Recht auf Freiheit verstoßen hatte.

. . . das Gericht stellt einen eklatanten Mangel an jeglichen festgelegten Verfahrensregeln fest, durch welche die Aufnahme und der Zwangsaufenthalt von gefügigen beeinträchtigten Personen vollzogen werden.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Oktober 2004

Folgemaßnahmen 

Als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in H. L.s Fall wurden in England und Wales durch das Gesetz über psychische Gesundheit von 2007 nebst einem Verhaltenskodex Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Unterbringung und den Zwangsaufenthalt in psychiatrischen Einrichtungen von gefährdeten Personen wie H. L. eingeführt, die selbst keine rechtsgültigen Entscheidungen treffen können. 

Im Jahr 2010 veröffentlichte die nordirische Behörde für Gesundheits- und Sozialfürsorge neue Leitlinien für an Entscheidungen über die Pflege oder Behandlung einer Einzelperson Beteiligte ein, die dazu führen können, dass deren Freiheit eingeschränkt wird. Mit dem Gesetz über geistige Leistungsfähigkeit (Nordirland) wurden 2016 danach ähnliche Schutzmaßnahmen eingeführt.

Das schottische Gesetz bedurfte keiner Änderungen.

Themes:

Ähnliche Beispiele

Gesetzesänderung, nachdem Mann rechtswidrig in Pflegeheim festgehalten wurde

Jaroslav Červenka wurde gegen seinen Willen in einem Pflegeheim festgehalten, nachdem seine Sachwalterin entschieden hatte, dass er nicht fähig war, für sich selbst zu sorgen. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Červenkas Recht auf Freiheit verletzt wurde. In Erwartung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs führte die Tschechische Republik bessere Schutzmaßnahmen für Menschen ein, die...

Read more