Ternovszky gegen Ungarn |2010

Frau erringt Recht, rechtmäßig zu Hause zu entbinden

Ich bin genau wie Millionen andere Mütter und wollte entscheiden, wo und unter welchen Bedingungen ich meine beiden Babys zur Welt bringen werde.

Anna Ternovszky

Hintergrund

Anna Ternovszky wollte lieber zu Hause entbinden als im Krankenhaus.

Doch gemäß dem damaligen ungarischen Gesetz lief jede Gesundheitsfachperson, die bei einer Hausgeburt Hilfe leisten wollte, Gefahr, strafrechtlich verfolgt zu werden. In den vergangenen Jahren hatte eine derartige Strafverfolgung in Ungarn stattgefunden. 

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass das ungarische Gesetz zu Hausgeburten widersprüchlich ist. Patientinnen hätten demnach ein Recht, frei zu entscheiden, ob sie bestimmten medizinischen Behandlungen zustimmen oder diese ablehnen, doch gleichzeitig seien Gesundheitsfachpersonen, die bei Hausgeburten Hilfe leisten wollten, der drohenden Strafverfolgung ausgesetzt.

Durch diese Rechtsunsicherheit sei das Gesetz anfällig für Missbrauch gewesen und hätte die Wahlmöglichkeiten für werdende Mütter wie Ternovszky im Hinblick auf Hausgeburten eingeschränkt. Dies verstieß gegen Ternovszkys Rechte.

Für das Gericht schließt das Recht auf freie Wahl in Bezug auf die Entbindung eines Kindes die Rechtssicherheit ein, dass die Wahl rechtmäßig und weder direkt noch indirekt Gegenstand von Sanktionen ist.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Dezember 2010

Folgemaßnahmen

Es war ein wunderbares Gefühl, als wir erfuhren, dass wir gewonnen hatten und dass der Gerichtshof den ungarischen Staat verurteilte und mein Land zwang, so schnell wie möglich die erforderlichen Bestimmungen zu schaffen.
Anna Ternovszky

 

Zu dem Zeitpunkt, als der Europäische Gerichtshof sein Urteil in ihrem Fall erließ, hatte Ternovszky bereits zu Hause entbunden.

Im Jahr 2011 verabschiedete Ungarn ein neues Gesetz, dass es werdenden Müttern, deren Schwangerschaften ohne medizinische Komplikationen verlaufen, erlaubt, sich für eine Hausgeburt zu entscheiden. In dem Gesetz werden auch Aufgaben und Pflichten von Gesundheitsfachpersonen festgelegt, die bei Hausgeburten Hilfe leisten.

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