Tătar gegen Rumänien | 2009

Strikte Begrenzung industrieller Risiken nach Beschwerde von Vater und Sohn über Nutzung von Zyanid in Goldmine

. . . wenn dein Sohn, deine Tochter, deine Mutter, dein Vater von der Verschmutzung betroffen ist, dann reagierst du sofort.

Vasile Tătar, zitiert auf Deutsche Welle

Hintergrund

Vasile und Paul Tătar, Vater und Sohn, lebten nahe einer Goldmine in der Stadt Baia Mare, dem Schauplatz einer der schlimmsten Umweltkatastrophen in der modernen Geschichte. 

Am 30. Januar 2000 ereignete sich nach einem Dammbruch ein massiver Zyanidaustritt bei der Mine. Das Unternehmen, das die Anlage betreibt, verwendete Zyanid bei seinem Extraktionsverfahren.   

Die Wasserläufe Mitteleuropas – von der Theiß bis zur Donau – wurden mit Giftstoffen überflutet. Nach Schätzungen Ungarns verendeten durch das Leck 1.000 Tonnen Fische. 

Nach dem Unfall erteilte die rumänische Regierung dem in Baia Mara tätigen Unternehmen neue umweltrechtliche Genehmigungen. Sie gestattete es dem Unternehmen, weiterhin Chemikalien in dem Becken zu deponieren, wo der Damm gebrochen war. 

Nach Überzeugung von Vasile Tătar gefährdete die Deponierung und Verwendung von Zyanid die Gesundheit der örtlichen Bevölkerung. Er behauptete, dass sein Sohn Paul wegen der toxischen Abwässer Asthma entwickelt hatte.

Vasile brachte Beschwerden bei den Behörden ein, um zu erreichen, dass dem Unternehmen die Betriebsgenehmigung entzogen wird und Maßnahmen gegen das Unternehmensmanagment ergriffen werden. Seine Beschwerden wurden abgewiesen. 

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass Rumänien seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, die Risiken der Unternehmenstätigkeit zu bewerten und geeignete Maßnahmen zum Schutz des Rechts von Vasile und Paul Tătar auf eine gesunde und sichere Umwelt zu ergreifen. 

Laut dem Gerichtshof hätte die Öffentlichkeit über die möglichen Risiken informiert werden müssen und das Recht auf Beteiligung am Umweltfragen betreffenden Entscheidungsprozess. Stattdessen wurde ihr der Zugang zu den Ergebnissen wichtiger Untersuchungen und Studien verwehrt.

Folgemaßnahmen 

Zu dem Zeitpunkt, als der Europäische Gerichtshof sein Urteil erließ, hatte Rumänien neue Gesetze zur Regelung riskanter Industrietätigkeiten verabschiedet. Dazu zählte ein Gesetz, durch welches das UNECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention) ratifiziert wurde. 

In jüngerer Zeit verabschiedete Rumänien das Gesetz über Industrieemissionen von 2013 und das Gesetz zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen von 2016. 

Neue Industrietätigkeiten unterliegen nun alle fünf oder zehn Jahre einer Genehmigungspflicht. Gewerbliche Genehmigungen können überprüft werden, wenn neue Umweltbelastungen auftreten. Im Fall von Verstößen können Genehmigungen auch ausgesetzt oder Strafen verhängt werden. 

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