Manushaqe Puto und andere gegen Albanien | 2012

Millionen an Entschädigung an Familien gezahlt, deren Land im Kommunismus beschlagnahmt wurde

…rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidungen von Kommissionen zugunsten [der früheren Eigentümer] wurden über Zeiträume zwischen 15 und 17 Jahren nicht vollstreckt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Dezember 2012
 

 

Hintergrund

Viele Familien verloren unter dem früheren kommunistischen Regime in Albanien, unter dem Privatbesitz verboten war, ihr Land.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus erkannte eine Reihe von Kommissionen Tausende von Landansprüchen an und entschied, dass Entschädigungen gezahlt werden sollten.

Doch dann geschah nichts.

Einige Personen erhielten etwas von ihrem Land zurück – jene Teile, die nicht bereits genutzt wurden –, aber sie wurden für den Rest nicht entschädigt. Andere erhielten überhaupt nichts.

Eine Familie, die Putos, schickten unzählige Schreiben an die Behörden, erhielten jedoch keine offizielle Antwort. Jahrelang warteten sie auf die ihnen zustehende Entschädigung.

Die Putos wandten sich, gemeinsam mit verschiedenen anderen Klägern – Familien und Einzelpersonen –, an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, um Gerechtigkeit zu erlangen.

 

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Albanien gegen die Eigentumsrechte der Kläger verstoßen und ihnen ein faires Verfahren verweigert habe.

Es war nicht das erste Mal, dass der Gerichtshof in dieser Angelegenheit ein Urteil gegen Albanien gefällt hat. Während die albanische Regierung im Bemühen, das Problem zu lösen, Veränderungen vorgenommen hatte, betrachtete der Gerichtshof diese Maßnahmen, darunter das bestehende System für finanzielle Entschädigungen, als mangelhaft. Es habe für die Kläger keine Möglichkeit gegeben, in ihrem eigenen Land Gerechtigkeit zu erlangen.

Der Gerichtshof sprach den Beschwerdeführenden eine gemeinsame Entschädigung von fast € 3 Millionen zu.

Da er mit Dutzenden ähnlicher Beschwerden anderer Personen in Albanien konfrontiert war, wandte der Gerichtshof sein „Piloturteil“-Verfahren an, das eine Möglichkeit zum Umgang mit weitverbreiteten Problemen ist. Der Gerichtshof verlangte, dass die albanische Regierung innerhalb von 18 Monaten ein wirksames Entschädigungssystem einrichtet.

Folgemaßnahmen

Albanien entschädigte die Kläger wie vom Europäischen Gerichtshof gefordert.

Als Reaktion auf das Piloturteil des Gerichtshofs entwarf die albanische Regierung mit Unterstützung von Fachleuten des Europarates ein neues Gesetz, das 2016 in Kraft trat und durch das ein neues Entschädigungssystem geschaffen wurde. Mittel im Wert von umgerechnet € 1,2 Milliarden wurden bereitgestellt, um die Kosten der Beschwerden zu decken.

Bis September 2018 hatte die albanische Regierung finanzielle Entschädigungen und Land – aus einem gesonderten Fonds – im Wert von umgerechnet zehn Millionen Euro in über 400 Einzelfällen zugeteilt.

Im Rahmen eines separaten Urteils in einem ähnlichen Fall im Jahr 2020 bestätigte der Europäische Gerichtshof das neue System als wirksames Mittel für Kläger, um Gerechtigkeit zu erlangen.

Allerdings stellte der Gerichtshof fest, dass Wertermittlungen von Eigentum im Rahmen des neuen Systems in einigen Fällen zu geringeren Entschädigungen führen könnten als gemäß früheren Gesetzen. Zwar erkannte der Gerichtshof an, dass das System „beträchtliche wirtschaftliche Auswirkungen für [Albanien] insgesamt“ hat, urteilte jedoch, dass, „um eine extreme Belastung für frühere Eigentümer zu verhindern“, die Entschädigung mindestens 10 % von dem entsprechen muss, was ihnen zustünde, wenn die Wertermittlung auf der Grundlage aktueller Einstufungen erfolgen müsste und nicht den ursprünglichen.

Das Entschädigungsverfahren wird fortgeführt.

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