Červenka gegen die Tschechische Republik  |2017

Gesetzesänderung, nachdem Mann rechtswidrig in Pflegeheim festgehalten wurde

Es war schrecklich, das Erste, was ich bemerkte, war, dass dort 50 Männer waren und nur 2 Toiletten. Überall auf dem Boden lagen benutzte Windeln. Die Reinigung erfolgte nur einmal in der Woche.

Jaroslav Červenka, zitiert in einer Pressemitteilung von MDAC/LIGA - © Foto LIGA

Hintergrund

Mehrere Jahre lang war Jaroslav Červenka immer wieder in einem psychiatrischen Krankenhaus. Er hatte ein Alkoholproblem, das demenzähnliche Symptome verursachte.

Im Jahr 2005 entzog ein Gericht Červenka die Geschäftsfähigkeit. Es entschied, dass er nicht in der Lage war, selbst rechtsgültige Entscheidungen zu treffen.

Červenka versuchte, seine Geschäftsfähigkeit zurückzubekommen, doch seine Anträge wurden stets abgelehnt.

Im Februar 2011, nachdem Bedenken wegen der Verschlechterung seines Gesundheitszustands aufkamen, entschied eine gerichtlich bestellte Sachwalterin, dass Červenka nicht mehr fähig war, für sich selbst zu sorgen, und dass er deshalb in einem Pflegeheim untergebracht werden sollte.

Červenka protestierte gegen seine Unterbringung in dem Heim, das er nicht verlassen durfte. Er sagte, dass er gegen seinen Willen festgehalten wurde – doch die Behörden ignorierten ihn.

Schließlich schaltete sich in Červenkas Namen ein Menschenrechtsanwalt ein und forderte seine Freilassung. Nach Ansicht des Rechtsanwalts war Červenkas Zwangsaufenthalt in dem Heim rechtswidrig.

Die tschechischen Gerichte weigerten sich, auf die Beschwerde zu reagieren, weil Červenka die Geschäftsfähigkeit fehlte, um einen Anwalt damit zu beauftragen, für ihn zu arbeiten.  

Im September 2011 beendete Červenkas Sachwalterin plötzlich den Vertrag mit dem Pflegeheim. Červenka konnte dieses schließlich verlassen.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die Tschechische Republik durch seine Unterbringung in dem Pflegeheim gegen Červenkas Recht auf Freiheit verstoßen hat.

Es habe in der Tschechischen Republik keine angemessenen Schutzmaßnahmen gegen einen möglichen Missbrauch des Unterbringungsverfahrens gegeben noch irgendeine Möglichkeit, durch die Červenka die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzugs hätte anfechten oder Entschädigung hätte beantragen können.

Der Europäische Gerichtshof sprach Červenka 15.000 € als Entschädigung zu.

. . . das Gericht ist der Auffassung, dass ein Verfahren, das lediglich die Einwilligung der Sachwalterin in die Aufnahme von [Červenka] in das Pflegeheim verlangt, keinen ausreichenden Schutz vor Willkür bietet.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Januar 2017

Folgemaßnahmen 

In Erwartung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs änderte die tschechische Regierung das Gesetz.

Durch die Änderungen, die 2016 in Kraft traten, wurden Bedingungen festgelegt, unter denen ein Sachwalter einer Person, die in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkt ist, auf eine Unterbringung in einem Pflegeheim zurückgreifen kann. Die Änderungen ermöglichen auch eine rechtliche Überprüfung derartiger Unterbringungen durch die Gerichte.

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