Mihhailov gegen Estland  | 2016

Gerechtigkeit, nachdem die Behörden keine Ermittlungen wegen mutmaßlicher Polizeibrutalität einleiteten

Alle Ermittlungen wegen schwerer Anschuldigungen von Misshandlungen müssen gründlich sein.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, August 2016 - © Foto Postimees

Hintergrund

Aleksandr Mihhailov wurde abends in der Stadt Narva von Polizisten angehalten. Laut Herrn Mihhailov griffen die Polizisten ihn an, weil sie sein Verhalten nicht mochten. Sie schlugen ihn am ganzen Körper und gegen den Kopf, bis er das Bewusstsein verlor. Als er in der Polizeiwache wieder zu Bewusstsein kam, schlugen ihn die Polizisten mutmaßlich wieder. Später wurde er in ein Krankenhaus gebracht.

Die Behörden weigerten sich zunächst, Ermittlungen einzuleiten und begannen diese erst mit großer Verzögerung. Die Ermittlungen erbrachten keinerlei Beweise: z. B. keine Zeugenaussagen von Personen, die das Geschehen beobachtet hatten, oder Videoaufzeichnungen in der Polizeiwache. Ungeachtet des Versäumnisses, relevante Beweise zu sammeln oder zu prüfen, wurde die Anzeige von Herrn Mihhailov abgelehnt.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Ermittlungsbehörden seien nicht unabhängig gewesen, da der zuständige Beamte ein Ermittlungsbeamter derselben regionalen Einheit war, der auch die beschuldigten Beamten in diesem Fall angehörten. Es seien des Weiteren bei den Ermittlungen keine aussagekräftigen Beweise gesichert oder die Schlussfolgerungen ausreichend begründet worden.

Die Ermittlungen der mutmaßlichen Misshandlungen seien aus diesem Grund nicht gründlich gewesen und hätten somit die Grundrechte von Herrn Mihhailov verletzt.

Nachbereitung

Schulungen zum Thema Misshandlung durch die Polizei und die Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeit beim Einsatz von Gewalt werden nun für Ermittler, Staatsanwälte und Richter durchgeführt. Die Trennung der relevanten Ermittlungen und der strafverfolgenden Stellen zwischen dem Innenministerium und dem Justizministerium trägt dazu bei, die Unabhängigkeit der Ermittlungen zu gewährleisten.

Das Urteil des Straßburger Gerichtshofs wurde übersetzt und an die relevanten Fachleute in Estland verschickt.

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