Igual Coll gegen Spanien  | 2009

Unfaires Verfahren führt zu Reformen zum Schutz der Gerechtigkeit

... wenn ein Berufungsgericht sich mit einem Fall befasst, der Tatsachen und Recht sowie die rechtliche Würdigung der Frage nach Schuld oder Unschuld als solches involviert, kann es aus Gründen eines fairen Verfahrens nicht über diese Fragen entscheiden, ohne unmittelbar die Beweise zu beurteilen, die persönlich vom Beklagten eingebracht werden...

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, März 2009

Hintergrund

César Igual Coll lebte in Valencia. Er wurde beschuldigt, den Unterhalt für seine Ehefrau und seinen Sohn nicht gezahlt zu haben. Herr Igual Coll wurde jedoch freigesprochen, weil er zu dieser Zeit arbeitslos war und über kein Geld verfügte, um diese Zahlungen zu leisten.

Der Fall ging in die Berufung. Das Berufungsgericht hielt keine öffentliche Verhandlung ab. Es nahm keine Beweise von Herrn Igual Coll an und gab ihm nicht die Gelegenheit zu erklären, warum er keine Arbeit fand. Dessen ungeachtet kam das Gericht zu dem Schluss, er hätte eine Stelle finden müssen, um die Zahlungen zu leisten, und verurteilte Herrn Igual Coll. Er wurde zu acht Wochenendarresten verurteilt und angewiesen, den ausstehenden Unterhalt zu bezahlen.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, dass das Gericht, als es Herrn Igual Coll verurteilte, neue Schlussfolgerungen in Bezug auf den Sachverhalt des Falles gezogen habe, ohne eine öffentliche Verhandlung abzuhalten oder Beweise von ihm anzunehmen. Dies habe Herrn Igual Colls Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Nachbereitung

Die Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgericht änderte sich, die in Folge vom Obersten Gerichtshof übernommen wurde. Des Weiteren wurde die Strafprozessordnung 2015 geändert, um die verfahrensrechtlichen Absicherungen zu stärken und ein erneutes Auftreten dieses Problems zu verhindern.

Links

Themes:

Ähnliche Beispiele

Wiedereinsetzung eines Richters, der Opfer politischer Korruption war

Oleksandr Volkov wurde als Richter des Verfassungsgerichts entlassen. Sein Rechtsbeistand argumentierte, Herr Volkov sei Opfer der politischen Korruption, die versuche, die Unabhängigkeit der Justiz zu unterminieren. Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Entlassung habe auf Voreingenommenheit und Manipulation basiert und stelle eine Verletzung der Grundrechte dar. Herr Volkov wurde 2015...

Read more

Willkürliche Unterbringung in einer Psychiatrie führt zu Reformen zum Schutz der Freiheit

Frits Winterwerp wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Er erklärte, er sei nicht psychisch krank und müsse entlassen werden. Er wurde jedoch mehrmals daran gehindert, seinen Fall vor ein niederländisches Gericht zu bringen, das immer wieder ohne Anhörung seiner Person seinen Aufenthalt verlängerte. Der Straßburger Gerichtshof entschied, dies stelle eine Verletzung seines Rechts...

Read more

Unangemessene Verfahrensdauer führt zu Reformen, um Zugang zum Recht zu beschleunigen

Der Straßburger Gerichtshof identifizierte zahlreiche Fälle, in denen die Verfahrensdauer in Litauen unangemessen lang war. Ein Beispiel war der Fall von Donatas Šulcas, dessen Verfahren fast neun Jahre dauerte. Nach den Entscheidungen des Straßburger Gerichtshofs wurde eine Reihe von Reformen durchgeführt, um Verzögerungen bei Zivil-, Handels-, Verwaltungs- und Strafverfahren zu reduzieren.

Read more