Oršuš und andere gegen Kroatien | 2010

Klage von Kindern setzt diskriminierenden, nur für Roma vorgesehenen Klassen ein Ende

Der Fall Oršuš stellt klar, dass Sprachdefizite nicht als Vorwand für Rassentrennung dienen dürfen.

James A. Goldston, ein Anwalt der Kinder, zitiert auf PR Newswire (auf Englisch)

Hintergrund

Vierzehn Roma-Kinder brachten ihre Schulen vor Gericht, nachdem sie in getrennten Klassen untergebracht wurden. Die Kinder betrachteten dies als Rassendiskriminierung.

Die Schülerinnen und Schüler beschwerten sich zudem, dass die Qualität der Bildung, die sie erhielten, schlechter als in Nicht-Roma-Klassen war.

Die Schulabbruchquoten waren an den Schulstandorten unter jungen Roma-Kindern deutlich höher als unter Nicht-Roma-Schülerinnen und -Schülern. Die meisten Roma-Kinder in dem Gebiet sagten, dass sie sich in der Schule abgelehnt fühlten. Viele äußerten den einfachen Wunsch, ein Nicht-Roma-Kind als Freund zu haben.

Trotzdem beharrten die Schulen darauf, dass alle Schülerinnen und Schüler gleichbehandelt würden, und behaupteten, dass die Kinder nicht wegen ihrer ethnischen Herkunft in einer Gruppe zusammengefasst wurden, sondern weil sie die kroatische Sprache nicht gut genug verstanden.

Ein kroatisches Gericht stimmte den Schulen zu und wies die Klage ab.

Die Rechtsvertretung der Kinder legte danach Berufung bei Kroatiens höchstem Gericht ein, das nach einer vierjährigen Wartezeit urteilte, dass die Maßnahmen der Schulen nicht diskriminierend gewesen seien.

Die Kinder beschlossen, ihren Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Kroatien den Kindern das Recht auf Bildung verweigert und sie diskriminiert habe.

Das Gericht stellte fest, dass keine angemessenen Schutzmaßnahmen vorhanden waren, um zu gewährleisten, dass die Regelungen für die Schulbildung ihren besonderen Bedürfnissen als Mitglieder einer benachteiligten Gruppe gerecht werden.

Unter anderem verwies das Gericht auf fehlende klare Kriterien im Zusammenhang mit dem Übergang in gemischte Klassen, was bedeutete, dass die Kinder über lange Zeiträume in nur für Roma vorgesehenen Klassen blieben.

Darüber hinaus könnte der Lehrplan, nach dem in nur für Roma vorgesehenen Klassen unterrichtet wird, deutlich gekürzt worden sein, und es sei nicht klar, inwieweit dies ein geeignetes Mittel sei, den Kindern beim Kroatischlernen zu helfen.

Der Europäische Gerichtshof befand außerdem, dass das höchste Gericht Kroatiens sich mit der Entscheidung im Fall der Kinder zu lange Zeit gelassen habe, insbesondere angesichts dessen, was auf dem Spiel stand. Dies verstieß ebenfalls gegen ihre Rechte.

...für die Unterbringung der [Kinder] in nur für Roma vorgesehenen Klassen in bestimmten Phasen ihrer Pflichtschulbildung gab es keine sachliche und angemessene Begründung.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, März 2010

Folgemaßnahmen

Als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ergriff Kroatien Maßnahmen zur Beendigung der Diskriminierung von Roma-Kindern in der Pflichtschulbildung.

Dies umfasste ein neues Gesetz, das im Juli 2010 in Kraft trat, durch das nur für Roma vorgesehene Klassen abgeschafft wurden und eine klare Rechtsgrundlage für den Zugang von Roma-Kindern zu hochwertiger Bildung fixiert wurde – unter anderem indem sichergestellt wurde, dass sie nach demselben Lehrplan unterrichtet werden.

Kroatien führte auch andere Formen der Hilfe für Roma-Kinder ein, denen Sprachkenntnisse fehlen, sowie mehr Förderangebote, um die hohe Abbruchquote zu bekämpfen.

 

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