Vilnes und andere gegen Norwegeny |2013

Entschädigung für Nordseetaucher, denen der Zugang zu Informationen über Gesundheitsrisiken verwehrt wurde

Der Sieg beim EGMR war das Sprungbrett für unsere Verhandlungen mit den Behörden. Dies brachte schließlich mehreren hundert Tauchern, einschließlich mir, Entschädigungen und eine Entschuldigung des norwegischen Parlaments.

Magn Muledal, Pioniertaucher - Foto Magn Muledal (privat)

Hintergrund

Hunderte Tiefseetaucher litten unter schweren gesundheitlichen Problemen, nachdem sie an Taucheinsätzen im Rahmen der norwegischen „Pionierzeit“ der Erdölförderung in der Nordsee teilgenommen hatten, die von 1965 bis 1990 dauerte. 

Magn Muledal war einer von ihnen. In der Zeit, als er als Pioniertaucher arbeitete, war Muledal der Dekompressionskrankheit ausgesetzt, einer Erkrankung, die auftritt, wenn der Umgebungsdruck zu schnell abnimmt. Er erlitt außerdem mehrere Tauchunfälle und einmal musste er die Leichen von Bohrinselarbeitern bergen, als eine Plattform kenterte. Diese Vorfälle hatten langfristige Auswirkungen auf Muledals Gesundheit. 

Es war gefährliche und anstrengende Arbeit. Für Tauchgänge bis zur einer Tiefe von 50 Metern wurde ein Atemgasgemisch verwendet und die Druckentlastung fand im Wasser oder an der Oberfläche statt. Längere Tauchgänge erforderten den Einsatz einer speziellen Kammer, in der die Taucher zwischen ihren Schichten auf dem Meeresgrund ausruhen, schlafen und essen konnten. Diese dauerten mitunter jeweils tage- oder sogar wochenlang. Die Taucher verwendeten Dekompressionstabellen, um zu berechnen, wieviel Zeit zur sicheren Anpassung des Druckniveaus beim Auftauchen benötigt wird. 

Einige Pioniere entwickelten nach dem Ausstieg aus dem Beruf schwere psychische Störungen. Viele blieben arbeitsunfähig.

Im Jahr 2004 führte die norwegische Regierung aus einem moralischen und politischen Pflichtbewusstsein eine Entschädigungsregelung für die Taucher ein. Allerdings erkannte die Regierung keine rechtliche Verantwortung für das Geschehene an. Dies führte zu einer Reihe erfolgloser rechtlicher Schritte der Taucher, die wegen staatlicher Versäumnisse höhere Entschädigungen erlangen wollten.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Norwegen es versäumt hatte, den Tauchern Zugang zu wichtigen Informationen zu gewähren, die es ihnen ermöglicht hätten, die Gefahren für ihre Gesundheit und ihr Leben einzuschätzen. Dies verstieß gegen ihre Menschenrechte.

Tauchunternehmen hätten während der „Pionierzeit“ wegen der hohen Kosten für längere Dekompressionszeiten Dekompressionstabellen mit schnellen Auftauchzeiten verwendet. Sie hätten die Daten in diesen Tabellen geheim gehalten, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen zu haben. 

Die norwegischen Behörden hätten die Unternehmen nicht zur Vorlage ihrer Dekompressionstabellen veranlasst, bevor sie ihnen die Durchführung von Taucheinsätzen gestatteten. Hätten sie dies getan, hätte die Verwendung derartiger Tabellen verhindert werden können und wäre eine Hauptgefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Taucher beseitigt worden.

Der Gerichtshof sprach jedem der Pioniertaucher € 8.000 als Entschädigung zu.

Folgemaßnahmen 

Zusätzlich zu den durch den Europäischen Gerichtshof zugesprochenen Entschädigungen bot Norwegen Tauchern und den Familien verstorbener Taucher, die in einer ähnlichen Situation waren wie jene in diesem Fall, Schadenersatz an. Dies galt auch für jene, die zuvor im Rahmen der Entschädigungsregelungen von 2004 Schadenersatz erhalten hatten. 

Bis 2015 hatte die norwegische Regierung im Rahmen dieser Regelungen insgesamt € 1.925.207 Schadenersatz an 250 Taucher und die Familien von verstorbenen Tauchern gezahlt. 

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