Am Morgen des 27. Januar 1945 befanden sich im Konzentrationslager Auschwitz noch etwa 7000 Gefangene. Über eine Million Menschen kamen in diesem Lager ums Leben und es wird angenommen, dass insgesamt sechs Millionen Juden in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Der Europarat war die treibende Kraft hinter der Einführung eines Tages zum Gedenken an den Holocaust und zur Verhütung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im Oktober 2002 beschlossen die Bildungsminister aus den Mitgliedsstaaten des Europarates die Einführung dieses Gedenktages. Während Deutschland und Frankreich den Tag am 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, begehen, haben andere Länder je nach ihren jeweiligen historischen Erfahrungen ein anderes Datum gewählt.

Darüber hinaus unterstützt der Europarat Lehrer bei der Vorbereitung des Holocaust-Gedenktages, indem er Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellt, um die Schüler für dieses dunkle Kapitel der Geschichte zu sensibilisieren und das Thema Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erörtern. Dadurch soll die Prävention ebenso gefördert werden wie Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter den Nationen, Ethnien und Religionen.

80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz

Ansprache des Generalsekretärs des Europarates, Alain Berset

Einweihung des Gedenkgartens an der Stelle der ehemaligen Synagoge am Quai Kléber, Straßburg

Sehr geehrte Frau beigeordnete Ministerin beim Premierminister, zuständig für die Gleichstellung von Frau und Mann und die Bekämpfung von Diskriminierung,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin von Straßburg,

sehr geehrter Herr Präsident des israelitischen Konsistoriums des Bas-Rhin,

sehr geehrter Herr Oberrabbiner von Straßburg und des Bas-Rhin,

sehr geehrte Damen und Herren!

Der Zweite Weltkrieg, das sind Bilder, Erzählungen, aber auch Geräusche:

  • Bomben, die explodieren.
  • Sirenen, die heulen.
  • Panzer, die dröhnen.

Doch wenn man in Auschwitz ankommt, herrscht Stille. Eine ohrenbetäubende Stille.

Dann stellt man sich die letzte Fahrt in einem Konvoi von Viehwaggons vor. Man stellt sich die letzten Worte eines Vaters an sein Kind vor, kurz bevor sie am Eingang des Lagers getrennt werden. Man stellt sich die letzten Blicke in der Gaskammer vor.

Aber wie kann man sich das Undenkbare vorstellen? 1,1 Millionen Menschen – davon 960.000 Juden und Jüdinnen – wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet. Wie viele weitere Millionen Leben wurden zerstört?

Heute sind wir hier versammelt, um ihnen zu sagen: Wir haben euch nicht vergessen. Wir werden euch niemals vergessen! Diese Wand der Namen erinnert uns an die Verpflichtung, die wir ihnen gegenüber haben:

  • Eine Pflicht zur Erinnerung.
  • Eine Pflicht, sie auch an zukünftige Generationen weiterzugeben.

Die auf dem Boden gekennzeichnete Grundfläche der ehemaligen Synagoge lädt uns zu Fragen ein. Sie ist auch eine Narbe in der Stadt. Diese Zeit hat Straßburg und das Elsass stark geprägt. Das Konzentrationslager Struthof erinnert uns daran.

Straßburg beherbergt eine der ältesten jüdischen Gemeinden Frankreichs. Davon zeugt die lange Geschichte der Juden im Elsass, die von zahlreichen Prüfungen geprägt ist, aber dennoch besteht diese Gemeinschaft weiter.

Meine Damen und Herren!

Seit jenem 27. Januar 1945 sind 80 Jahre vergangen. Die letzten Überlebenden verlassen uns nach und nach. Mit ihnen geht auch die lebendige Erinnerung an den Holocaust. Deshalb war es mir wichtig, an diesem besonderen Tag hier bei Ihnen zu sein.

Dieser Gedenkgarten ist ein Lichtblick im Angesicht einer der dunkelsten Stunden unserer Geschichte. Denn wir dürfen nie vergessen, dass diese unsäglichen Verbrechen in Europa, von Europäern, begangen wurden.

Der Europarat wurde aus dem Wunsch heraus gegründet, dass sich die Schrecken des Zweiten Weltkriegs nicht wiederholen dürfen. Er wurde gegründet, damit in Europa auf dem Fundament der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit dauerhaft Frieden herrschen kann. Auch das dürfen wir nie vergessen.

Meine Damen und Herren!

Elie Wiesel war 1944 noch ein Jugendlicher, als er mit seiner ganzen Familie nach Auschwitz und später nach Birkenau deportiert wurde. Ich schließe mit den Worten dieses Friedensnobelpreisträgers. In „Die Nacht“, in der er seine Erinnerungen schildert, schreibt er: „Die Toten vergessen, heißt, sie ein zweites Mal töten.“

Vergessen wir nie!

Vergessen wir sie nie!

Generalsekretär Straßburg 27. januar 2025
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