Back to Summit's home page
Startseite
Europarat in Kürze
  Für die Presse

  Pressemitteilungen
Multimedia
LOGO herunterladen

Fotos
17. Mai
16. Mai
Weitere Bilder des Gipfels
Jugendgipfel
Schuman-Parade
INGO-Treffen
Vorbereitungen für den Gipfel
Download
 
Verabschiedete Texte
  Schlusserklärung
Aktionsplan
In Kürze
  Wozu ein Gipfel?
Ziele des Gipfels
Dokumente
  Liste der Delegationsleiter
Liste der Redner
Programm [en]
Referenz-Texte
Reden
Biografien
Hintergrund
  Themen-Dossiers
  Referenz-Websites



Polnischer Vorsitz
Website zum Gipfel auf Polnisch
Ständige Vertretung Polens
  Informationszentren
Liste der Websites
Website zum Gipfel
Archiv
Frühere Gipfel

-

(Es gilt das gesprochene Wort)

Rede von Terry Davis, Generalsekretär des Europarates

anlässlich des Seminars „Der Europarat - Politik und Praxis - hat der Europarat Platz in einem sich wandelnden Europa?“ - Oslo, 6. und 7. September 2004  

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Herr Minister, Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die kennzeichnenden Werte, die Europa von einem großen Teil der übrigen Welt unterscheiden. Auf der Grundlage dieser Werte arbeitet der Europarat darauf hin, eine größere Einheit unter den Mitgliedsländern herzustellen, durch Toleranz, gegenseitige Achtung, Konsens und Zusammenarbeit.

Um dieses Potenzial umzusetzen wurde ich zum Generalsekretär des Europarates gewählt. Und deshalb erfüllt es mich mit großer Freude, hier mit Ihnen darüber zu diskutieren, welcher Platz unserer Organisation in einer sich wandelnden europäischen Landschaft zukommt.

Es freut mich ganz besonders, dass mich meine erste Reise nach meiner Amtsübernahme am vergangenen Mittwoch nach Norwegen geführt hat, und dies aus zwei Gründen: erstens fühle ich mich Norwegen und seinen Menschen ganz besonders verbunden, und zweitens, weil der norwegische Vorsitz im Ministerkomitee eine sehr aktive und konstruktive Rolle im Europarat spielt.

Dieses Treffen ist nur ein Beispiel unter vielen für die zahlreichen Anregungen, die von Ihrem Land während seines Vorsitzes ausgehen. Ich möchte deshalb bei dieser Gelegenheit den norwegischen Behörden für ihre Unterstützung der Arbeit des Europarates danken. Dieser Dank geht auch an den Botschafter Norwegens und sein Team in Straßburg für die hilfreiche Unterstützung meiner Arbeit zu dem Zeitpunkt, an dem ich die Führung jener Organisation übernehme, die mehr als 800 Millionen Menschen in 45 Staaten vertritt. Mit dem Beitritt Monacos in wenigen Wochen wird sich die Zahl der Mitgliedsländer sogar auf 46 erhöhen.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Europa ist im Wandel begriffen. Und wenn es einen Ort gibt, an dem dieser Wandel von jedermann wahrgenommen wird, dann ist dies ganz gewiss der Europarat in Straßburg. In nur 15 Jahren hat sich die Zahl seiner Mitgliedsstaaten verdoppelt, von 23 im Jahre 1989 auf 46 zum Ende dieses Jahres. Leider wurde Europa während des gleichen Zeitraumes mit neuen Bedrohungen konfrontiert: Terrorismus, Menschenhandel und organisiertes Verbrechen.

In der vernetzten Welt von heute ist die Politik so aktiv wie wohl nie zuvor. Und dennoch gibt es in unserem demokratiebestrebten Europa immer noch eine große, und bedauerlicherweise zunehmende Zahl von Menschen, die meinen, ihre Verschiedenheit, sei sie nun religiöser, politischer oder ethnischer Natur, sei bedeutender als unsere verbindenden Werte.

Es ist noch viel zu tun überall in Europa, um Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu festigen, damit alle Europäer sich wirklich ihrer gemeinsamen Werte, Verantwortungen und Zukunft bewusst sind. Schon von Anfang an war der Europarat an vorderster Front für die europäische Zusammenarbeit tätig, hat neue Wege beschritten und Ideen entwickelt, von denen viele die europäische Gesellschaft zu dem geformt haben, was sie heute ist.

Ich denke dabei an die pluralistische parlamentarische Zusammenarbeit, die vor der Gründung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates etwas vollkommen Unbekanntes war. Ich denke an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, vor dem jeder einzelne Bürger seine Regierung wegen behaupteter Verletzungen der Menschenrechtskonvention des Jahres 1950 verklagen kann. Ich denke aber auch an die Arbeit des Europarates in anderen Bereichen wie Datenschutz, Bioethik oder Datennetzkriminalität, um nur einige zu nennen.

Dieses geraffte Bild des Beitrags des Europarates zum europäischen Projekt wirft einiges Licht auf die Stärken und relativen Vorteile unserer Organisation. Der Europarat ist inzwischen zu einem unverzichtbaren Teil der internationalen und europäischen institutionellen Struktur geworden, und arbeitet gemeinsam und Seite an Seite mit den Vereinten Nationen, mit der Europäischen Union, und seit 1989 auch mit der OSZE und zahlreichen regionalen Organisationen.

Seit 1950 hat der Europarat auf europäischer Ebene Ideen und Prinzipien der Vereinten Nationen umgesetzt. Dies gilt vor allem für die Europäische Menschrechtskonvention, die einen großen Teil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf den europäischen Kontext überträgt und, was von eben so großer Bedeutung ist, einen geeigneten Umsetzungsmechanismus vorsieht.

Dasselbe gilt für die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Dies gilt auch für die Europäischen Gefängnisregeln, die von den Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen der Vereinten Nationen ausgehen, und die sicher auch morgen in Ihren Diskussionen zu Fragen der Gefängnisreform in Übergangsländern zur Sprache kommen werden.

Es muss wohl nicht betont werden, dass die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und ihren Mitgliedern sich auch auf viele andere Bereiche erstreckt und in unterschiedlichster Form erfolgt. Ich habe diese Arbeit seit nunmehr schon einigen Jahren genau verfolgt, sowohl in Straßburg als auch bei der Generalsversammlung in New York. Ich plane, dieses Jahr wieder nach New York zu reisen um zu klären, wie wir unsere Zusammenarbeit verstärken und effizienter und handlungsorientierter gestalten können.

Auf europäischer Ebene ist die OSZE, die in vielen Bereichen aktiv ist, die auch der Europarat abdeckt, ein geschätzter Partner für unsere Arbeit in vielen unserer Mitgliedsländer.
Es ist von elementarer Bedeutung, dass beide Organisationen in sensiblen Fragen den gleichen Standpunkt vertreten um zu vermeiden, dass aus Auffassungsunterschieden ungewünschte Vorteile gezogen werden können. Genau so ist es wesentlich, dass dort wo es zu Überschneidungen kommt, keine unnötige Doppelgleisigkeit entsteht. Deshalb begrüße ich im Besonderen den Vorschlag des norwegischen Vorsitzes, sich mit den Wechselbeziehungen zwischen dem Europarat und der OSZE auseinander zu setzen, und sich zu überlegen, wie die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen verstärkt werden kann.

Ich unterstütze die Auseinandersetzung mit dieser Frage voll und ganz, denn beide Organisationen schulden es den Bürgern ihren Mitgliedsländern, die verfügbaren Gelder nicht dafür zu verschwenden, von der anderen Organisation bereits geleistete Arbeit noch einmal zu tun. Als jemand, der auch sieben Jahre im OSZE-Bereich gearbeitet hat, ist mir diese Frage ein ganz persönliches Anliegen, denn mir sind die Stärken und Schwächen beider Organisationen bekannt.
Natürlich liegt die Entscheidung darüber, wer nun was tun soll, bei den Mitgliedsstaaten von Europarat und OSZE. Ich begrüße daher den Vorschlag, die Mitgliedsländer viel stärker in unsere zwischeninstitutionellen Beziehungen einzubinden, und zwar sowohl beim Ständigen Rat der OSZE in Wien als auch beim Ministerkomitee in Straßburg.

Natürlich ist die Europäische Union ebenfalls einer der ganz wichtigen Partner des Europarates. Dies wird auch nach jeder Erweiterung und nach der Annahme einer eigenen Verfassung der Fall sein. Der Europarat und die Europäische Union vertreten die gleichen Werte, und weitgehend auch die gleichen Ziele. Obwohl beide Organisationen ganz unterschiedlich funktionieren, können sie in ihren jeweiligen Spezialgebieten zusammenarbeiten und tun dies auch. So trägt die Europäische Union mit gegenwärtig mehr als sieben Millionen Euro zur Durchführung gemeinsamer Kooperationsprogramme in Südosteuropa bei.

Im Anschluss an die Erweiterung der Europäischen Union hat der Europarat heute als einzige ausschließlich europäische paneuropäische Organisation verstärkte Bedeutung in der neuen europäischen Landschaft. Er trägt zur Schaffung eines „Europa ohne Trennlinien” bei. Dazu bekannte sich das Ministerkomitee bereits im Jahre 1999 in seiner feierlichen Erklärung anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung des Europarates. Vor allem jene Länder, die während langer Jahrzehnte durch den Eisernen Vorhang vom restlichen Europa getrennt waren, sind diesem Ziel ganz besonders verbunden. Es gibt schließlich nur ein Europa, mit seinen über 800 Millionen Frauen und Männern, die gemeinsam nach einer besseren und gerechteren Welt für sich und ihre Kinder streben.

Der Europarat und die Europäische Union arbeiten auf Gesetzesangleichung und Zusammenarbeit im Rechtsbereich hin, um einen gemeinsamen rechtlichen Raum zu schaffen. Aber es ist klar, dass viele Probleme nicht allein auf der Ebene der Europäischen Union gelöst werden können.
Drogenhandel und organisiertes Verbrechen kennen keine Grenzen. Geldwäsche und Korruption erstrecken sich über den gesamten Kontinent und darüber hinaus. Diese Fragen müssen gemeinsam angegangen werden, wenn wir erfolgreich sein wollen. Das trifft in gleicher Weise auf Terrorismus und Menschenhandel zu.

Der Europarat hat auf allen diesen Gebieten Instrumente entwickelt und Abkommen geschlossen. Es ist jetzt wesentlich, dass der Europarat und die EU geeignete Wege der Zusammenarbeit finden, und gemeinsam diese grundlegenden Angriffe auf die Menschenrechte bekämpfen.
Ereignisse von der Türkei über Spanien bis Russland haben uns wohl alle davon überzeugt, dass mit einem Ende des Terrorismus nicht zu rechnen ist; dass er nicht von einzelnen, auf eigene Faust handelnden nationalen Regierungen besiegt werden kann, ja auch nicht von einer Institution, der 25 Staaten aus West- und Zentraleuropa angehören. Jemand muss hier auf gesamteuropäischer Ebene die Führung übernehmen.
Heute, da die Ereignisse von Beslan ihren Schatten auf alles werfen, kann ich berichten, dass während der drei Jahre, die seit dem Schock des 11. September vergangen sind, der Europarat für die Experten aus unseren Mitgliedsstaaten als Diskussionsforum gedient hat, um der Frage nachzugehen, wie das grundlegendste aller Rechte des Menschen, das Recht auf Leben, geschützt werden kann, ohne dabei gleichzeitig die Werte in Frage zu stellen, zu deren Schutz und Förderung der Europarat seinerzeit geschaffen wurde. Es ist mein persönliches Ziel, ja meine Verantwortung, diese dringende Aufgabe zu erfüllen.

Alle diese Fragen bilden den Hintergrund für das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs des Europarates, das Polen am 16. und 17. Mai 2005 im Rahmen seines Vorsitzes im Ministerkomitee in Warschau veranstalten wird.

Ziel des Gipfeltreffens ist die Festlegung der Prioritäten für den Europarat und die Stärkung seiner Stellung als wichtiger Partner innerhalb der Architektur Europas im 21. Jahrhundert.
Auf dem Gipfel wird aller Voraussicht nach ein neuer Auftrag für den Europarat beschlossen, der sein satzungsgemäßes Ziel größerer Einheit unter den Mitgliedsländern widerspiegelt, einer Einheit, die auf der zentralen Verpflichtung zur Einhaltung von Demokratie, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit sowie sozialem Zusammenhalt, Erziehung und Kultur als Faktoren ihrer Entwicklung aufbaut.

Ich begrüße diese Gelegenheit, denn wir brauchen mehr Klarheit darüber, welche Rolle unsere Mitgliedsstaaten dem Europarat in der Zukunft zukommen lassen wollen. Ich habe mich zur Zusammenarbeit mit den Regierungen verpflichtet, um ein klares Abkommen über die Rolle und Verantwortung der Organisation auszuhandeln. Wenn uns das gelungen ist, müssen wir eine Reihe von Kernstandards festlegen, die von allen Mitgliedsstaaten verbindlich einzuhalten sind. Dies ist ein wesentlicher Punkt für das Verständnis der Unterschiede von OSZE und Europarat.

Kurz gesagt ist das Kriterium für die Mitgliedschaft bei der OSZE ein geografisches. Aber um Mitglied beim Europarat sein zu können bedarf es mehr als der Geografie. Es bedarf dazu der Übernahme unserer Werte von Menschenrecht, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, was so viel heißt wie Unabhängigkeit der Richter, Recht auf freie Meinungsäußerung, Schutz nationaler Minderheiten und Einhaltung der Prinzipien des Völkerrechts.

Der Europarat unterscheidet sich auch von anderen Organisationen durch die gesetzlich bindenden Verpflichtungen, die die Mitgliedsstaaten eingehen müssen, und durch das kollektive Kooperationsmodell zur Gewährleistung der Einhaltung dieser Verpflichtungen.

Besondere rechtliche und politische Aufsichtsmechanismen stehen für diesen Zweck zur Verfügung. Wenn Mitgliedsländer mit spezifischen Problemen zu ringen haben, dann können sie mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Organisation ihnen mit ihren Programmen für eine verstärkte demokratische Stabilität zu Hilfe kommt. Aber sobald ein Mitgliedsstaat wiederholt und mehrmals die grundlegenden Werte der Organisation missachtet, so sieht die Satzung als letzte Möglichkeit auch den Ausschluss des betreffenden Landes vor.

So weit ist es aber erst ein einziges Mal gekommen, und ich hoffe, das wird nicht wieder passieren. Die Alternative besteht natürlich darin, die Macht der Überzeugung einzusetzen. Das mag manchmal länger dauern als einem lieb ist, aber ich bin davon überzeugt, dass wir damit vieles erreichen können. So trägt der Europarat auf der Basis seiner Satzung und seines politischen Auftrags für das Nachkriegseuropa mit seiner Arbeit umfassend zu Frieden und Stabilität bei.

Er wurde somit zu einem festen Bestandteil der europäischen Landschaft und verfolgt weiterhin satzungsgetreu das Ziel einer verstärkten Einheit unter den Mitgliedsländern zum Zwecke des Schutzes und der Verwirklichung der Ideale und Prinzipien, die ihr gemeinsames Erbe und die Bestandteile eines sicheren und stabilen Europas darstellen.