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Es gilt das gesprochene Wort

Ansprache von Michel Barnier, Außenminister Frankreichs

Anlässlich der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung, 24. bis 26. Januar 2005

Straßburg, 26.01.2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

im Namen der Republik Frankreich möchte ich Sie alle hier begrüßen, mit Ihren unterschiedlichen politischen Erfahrungen – wie es sie nur in einer Demokratie geben kann – und Ihren verschiedenen Nationalitäten. Ich freue mich sehr, dass ich eingeladen wurde, hier vor Ihnen zu sprechen – und das aus mehreren Gründen:

Zunächst, weil mein Land natürlich erfreut, stolz und geehrt ist, dass Frankreich das Gastgeberland des Europarates sein darf. Ich sage dies nicht nur im Namen der französischen Regierung, sondern auch im Namen der französischen Abgeordneten, die sich unter Ihnen befinden, die darauf ebenfalls stolz sind und sich geehrt fühlen.

Zweitens, wie René van der Linden eben schon gesagt, hatte ich in den letzten fünf Jahren die Ehre, der Europäische Kommissar für eins der interessantesten Politikfelder der EU zu sein, nämlich für die Solidarität der Regionen – und damit für eine Politik des wirtschaftlichen Zusammenhalts, des sozialen Zusammenhalts, Frau Azevedo, und des territorialen Zusammenhalts. Für eine Politik also, die wirklich zeigen wird, dass die EU, die im Laufe der vergangenen 50 Jahre Form angenommen und ihr Versprechen für Frieden und Stabilität gehalten hat, nicht nur ein Supermarkt ist, sondern eine Solidargemeinschaft, und dass sie eine politische Rolle in der Welt spielen will.

Ich hatte auch Gelegenheit, unter anderem mit Ihrem Präsidenten, als Mitglied des Präsidiums am Konvent mitzuarbeiten und Themen anzusprechen, die auch Sie interessieren und an denen auch Sie mitgewirkt haben. Ich denke dabei an die Grundrechtecharta, die, wie ich hoffe, einen konstitutionellen Wert bekommen wird, wenn die Verfassung verabschiedet wurde, und an den Beitritt der Europäischen Union zur Menschenrechtskonvention des Europarates.

Neben diesem Engagement für Europa, auf dem meine Arbeit basiert, seit ich ein öffentliches Amt übernommen habe, ist es noch nicht so lange her, dass ich selbst fast 20 Jahre lang Mitglied des französischen Parlaments war. Ich bin daher in der Lage, Ihr Engagement dafür zu würdigen, diese Werte, die uns vereinen, in Ihren zahlreichen Ländern umzusetzen.

Bei dieser Gelegenheit, Herr Präsident, möchte ich meinerseits ein paar Worte zu diesem sehr bedeutenden Ereignis, dem Dritten Europarats-Gipfel sagen, der am 16. und 17. Mai in Warschau stattfinden wird. Meiner Meinung nach muss der Gipfel nicht nur Gelegenheit für eine neue Verpflichtung sein, sondern er muss auch die Möglichkeit bieten, Bilanz zu ziehen und, wahrscheinlich, dem Europarat neue Impulse geben.

Deshalb wird er in erster Linie die Möglichkeit zu einer Verpflichtung bieten: zu einem Europa, das sich die Förderung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zur Aufgabe gemacht hat und das entschlossen ist, seine Transformation fortzusetzen. In Zeiten, in denen andere Regionen einer sehr ungeordneten Welt ihrer Zukunft immer noch mit Zögern begegnen und in denen viele auf Gewalt zurückgreifen, bieten wir das Bild eines Europas, das mit einer Stimme spricht und sich auf gemeinsame Grundwerte stützt. Diese Grundwerte sind die Grundwerte des Europarates. Das ist eine sehr gewaltige Botschaft.

Als Außenminister habe ich diese ungeordnete und gefährliche Welt bereist. Obwohl wir uns nicht anmaßen dürfen, anderen Regionen vorzuschreiben, was sie zu tun haben, dient unser Handeln hier doch als Beispiel oder Referenz. Wie ich schon sagte, handelt es sich hier um eine gewaltige politische Botschaft in der heutigen Welt, deren Einfluss wir erst vor ein paar Tagen wieder sehen konnten, als wir mit großem Respekt dem ukrainischen Volkes zuhörten, dessen Präsident vor ein paar Stunden vor Ihnen gesprochen hat.

In zweiter Linie wird der Gipfel die Möglichkeit bieten, Bilanz zu ziehen. Der Europarat steht vor einem wichtigen Schritt in der Geschichte. Mit Ausnahme der Republik Weißrussland hat er seine Erweiterung erfolgreich abgeschlossen. Er steht seit über 50 Jahren für den Fortschritt der Demokratie in Europa und dessen Garantie. Ein halbes Jahrhundert später ist es zweifellos an der Zeit, sich die Leistungen unserer Organisation vor Augen zu führen: Wo war sie erfolgreich und auf welche Schwierigkeiten ist sie gestoßen? Wie kann sie sich am Besten aktuellen Herausforderungen stellen, insbesondere in den Beziehungen zu anderen Europäischen Institutionen, die sich selbst radikal verändert haben? Diese Punkte müssen im Mittelpunkt des Aktionsplans des Ministerkomitees stehen, zu dem Ihre Versammlung beitragen wird.

Und drittens schließlich – nachdem Bilanz gezogen wurde – muss der Gipfel dem Europarat neue Impulse geben. Wir müssen uns energisch der Zukunft zuwenden, doch zugleich auch die Lektionen der Geschichte im Hinterkopf behalten. Ich habe Herrn Wilkinson zum 60. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager sprechen gehört. Morgen werde ich zusammen mit vielen anderen in Auschwitz sein, und bereits am Montag habe ich bei den Vereinten Nationen in New York an einer außerordentlichen Gedenkveranstaltung teilgenommen, zusammen mit dem Nobelpreisträger Elie Wiesel. Ich habe dort im Namen der französischen Regierung gesagt, dass diese Gedenkveranstaltung eine gute Gelegenheit bietet, eindringlich die Pflicht zur Erinnerung und zur Wachsamkeit zu vermitteln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihre Versammlung war die erste manifeste europäische Reaktion im Nachklang der Befreiung der Konzentrationslager und auf diesen tragischen „neuen Bürgerkrieg“, um Victor Hugos Ausdruck für Kriege unter Europäern aufzugreifen. Ihre Versammlung muss ein Forum sein, das streitet zugunsten der Wachsamkeit, und es muss dieses Forum jeden Tag ein Stück mehr werden. Ich denke dabei an alles, was – in vielen Teilen der Welt – die Grundwerte und Prinzipien der Demokratie in Frage stellt. Ich denke dabei insbesondere an das Wiederaufflammen von Antisemitismus und Rassismus.

Frankreich ist überzeugt, dass der Europarat eine Verantwortung für die Zukunft hat. Diese unsere Organisation – die sich an Ausrichtung und Größe von der Europäischen Union unterscheidet – ist für das Erreichen der großen Idee von Europa nicht zu ersetzen. Sie bildet – und wir hier in der Versammlung bilden – für diese große Idee die Fundamente. Soweit mir bekannt ist, kommt keine Konstruktion, wie ambitioniert auch immer sie sein mag, ohne Fundamente aus. Lassen Sie uns an dieser Stelle einige Grundprämissen festlegen.

Erstens sollte der Europarat unerschütterlich bleiben auf Gebieten, auf denen er herausragende Arbeit leistet, und er sollte dort dieses herausragende Niveau halten. Er sollte kompromisslos weiterarbeiten in Angelegenheiten, von denen er mehr weiß als alle anderen: Schutz der Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. Genau das ist es, was unserer Organisation ihre Stärke und ihre spezifische Wirksamkeit verleiht.
 
Und genau deshalb hoffe ich, dass der Warschauer Gipfel der Erhaltung der Rolle des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – der 800 Millionen Europäern ein Recht auf individuelle Beschwerde gewährleistet – eine klare Priorität einräumen wird. Der Gerichtshof ist im Moment nicht in der Lage, mit seinem gewaltigen Zustrom an Beschwerden zurechtzukommen. Wir müssen diese Herausforderung annehmen und die in Protokoll Nr. 14 vorgesehene Reform zu Ende führen, indem wir sicherstellen, dass dieses Protokoll bis Mai 2006 von allen ratifiziert wird. Wir müssen uns außerdem verpflichten, den Gerichtshof langfristig finanziell zu unterstützen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle, die Arbeit des Menschenrechtskommissars, Alvaro Gil-Robles, zu würdigen, der zwar eine andere Arbeit leistet, aber eine genauso hervorragende.

In demselben Geist müssen wir sicherstellen, dass die Konventionen in Kraft gesetzt werden. Warum sonst arbeiten wir an ihnen, wenn wir nicht die Art und Weise ihrer Umsetzung überwachen, bewerten und – wenn nötig – helfend beeinflussen?

Herr Präsident, wie Sie der Versammlung am Montag gesagt haben, muss der Europarat auf Gebieten aktiv werden, die das Leben der Menschen praktisch betreffen. Zu diesem Zweck müssen Rechtsinstrumente durch Monitoring-, Auswertungs- und Kontrollmechanismen unterstützt werden. Die demokratische Sache ist nicht in Stein gemeißelt. Sie sieht sich vielmehr ständig aufs Neue herausgefordert. Der Europarat hat das perfekt verstanden, als er sich der Cyberkriminalität angenommen hat.
 
Die bedeutendste dieser neuen Herausforderungen in unserer gefährlichen Welt ist zweifellos der Terrorismus. Der Europarat kann diesen nicht ignorieren. Er muss seinen eigenen Beitrag leisten, beispielsweise Bemühungen zur Bekämpfung von Personen, die versuchen, Terrorismus zu rechtfertigen, und zur Entschädigung von Opfern. Dieser Beitrag muss seinen Platz haben in den multilateralen Bemühungen gegen den Terrorismus, die – wie gesagt – weltweite Bedrohung schlechthin.

Die zweite Voraussetzung für neue Impulse ist eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen dem Europarat und den anderen internationalen Organisationen. Ich denke dabei an die OSZE, die Vereinten Nationen und vor allem an die Europäische Union. Letztere wurde immer größer und wird sich auch in Zukunft noch weiter vergrößern. Die EU steht gerade vor einem entscheidenden Schritt: Der Einführung einer Verfassung nach über 50 Jahren. Viele von Ihnen haben in ihrer Eigenschaft als Parlamentarier im Verfassungskonvent einen großen Beitrag geleistet zu diesem Schritt, auch Sie, Herr Präsident. Der Konvent hat nach 50 Jahren zum ersten Mal einen Gründungstext, oder besser gesagt, einen neuen Gründungstext für die EU entworfen, einen neuen Römischen Vertrag, der nicht bei geheimen Treffen von Diplomaten entstanden ist. Die Türen des Konvents, an dem die nationalen Parlamente teilnahmen, waren offen. Als Mitarbeiter des Konvents kann ich sagen, dass das vermutlich einer der Gründe ist, warum wir so erfolgreich waren.
Wie dem auch sei, die Aufgaben der neuen EU und des Europarates ergänzen sich und werden das auch künftig tun. In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen kann ich nur für mehr Orte und Gelegenheiten zur Konsultation, auf politischer oder administrativer Ebene, plädieren. Der Europarat könnte beispielsweise in Programme der EU für deren neue Nachbarn eingebunden werden, und auch in einem anderen Bereich sollte er eine Rolle spielen: bei der neuen EU-Grundrechteagentur.
Die dritte Bedingung: Der Europarat muss seinen Blick mehr nach außen richten. Er sollte der ideale Partner für die Zivilgesellschaft, für akademische Netzwerke, NGOs und die Medien sein. Er sollte seine Parlamentarische Versammlung und seinen Kongress der Gemeinden und Regionen als einzigartiges Forum der gewählten Vertreter des Größeren Europa nutzen, in dem good practice-Beispiele diskutiert und ausgetauscht werden. Er sollte sich besonders für die Ausbildung gewählter Vertreter und Eliten einsetzen.

Warum sollten wir nicht in diesem offenen Geist aus Anlass und am Rande des Warschauer Gipfels ein Forum für NGOs und Experten organisieren, um sie in unsere Arbeit einzubinden?

Meine Damen und Herren, Wachsamkeit und sogar Unnachgiebigkeit im Bereich der Demokratie und Menschenrechte, Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und Offenheit gegenüber der Außenwelt – diese drei Bedingungen liegen nun, kurz vor dem Warschauer Gipfel, in Reichweite des Europarates. Er kann dabei auf den Einsatz des polnischen Vorsitzes zählen, der die Vorbereitungen mit Entschlossenheit vorantreibt. Ich selbst konnte mich von dieser Entschlossenheit bei einem Treffen mit der polnischen Regierung überzeugen. Der Europarat kann auch auf die hervorragende Arbeit Ihres administrativen Teams und von Generalsekretär Terry Davis und dessen Verwaltung zählen, die ich an dieser Stelle würdigen möchte.
Der Europarat sollte auch daran denken, dass er auf Frankreich zählen kann, sowohl was die Unterstützung betrifft als auch bezüglich der Bedeutung, die es dem Größeren Europa beimisst.

Ich danke Ihnen.