Es gilt das gesprochene Wort

Rede des Menschenrechtskommissars des Europarates Alvaro GIL ROBLES

Warschau, 17. Mai 2005

Sehr geehrter Vorsitzender, sehr geehrte Exzellenzen,

Es ist für mich eine große Ehre heute hier ein Amt zu vertreten, das als Folge der beim Zweiten Europarats-Gipfels getroffenen Entscheidungen geschaffen wurde. Knapp sechs Jahre nach der Einrichtung des Amtes eines Menschenrechtskommissars, zeigt dieses seine volle Wirkung.

Wir haben sämtliche Anstrengungen unternommen, um die Grundsteine für ein institutionelles Handeln zu legen, dessen Ziel es ist, die besonderen Menschenrechtsprobleme jedes Landes insbesondere durch Aktionen vor Ort zu identifizieren und Empfehlungen abzugeben, wie im Rahmen eines kontinuierlichen Dialogs und in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden Lösungen erzielt werden können.

Gleichzeitig ist diese Institution flexibel genug, um schnell auf Krisensituationen zu reagieren.

Der Menschenrechtskommissar trägt auch dazu bei, Probleme zu erkennen, die in vielen Ländern in ähnlicher Weise auftreten und er kann dann allgemeine Empfehlungen formulieren.

Die Arbeit des Menschenrechtskommissars besteht also nicht nur darin, bei vorhandenen Problemen zu helfen, sondern vor allem darin, vorbeugende Maßnahmen einzuleiten. Ziel seiner Arbeit ist es, auf nationaler Ebene die Verabschiedung von Maßnahmen zu erleichtern, mittels derer die kollektiven oder strukturellen Probleme bewältigt werden können, die die Ursache für potentielle Menschenrechtsverletzungen sind. Auf lange Sicht sollte das die Zahl der immer wieder ähnlich gelagerten Individualbeschwerden, die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht werden, verringern. Der Menschenrechts-kommissar muss sich, wenn er seine neuen Interventionsmöglichkeiten beim Gerichtshof in Anspruch nimmt, die ihm durch das Protokoll Nr. 14 verliehen werden, immer vergegen-wärtigen, dass es seine Aufgabe ist, vorbeugend einzugreifen.

Jedoch bedarf diese Institution immer noch einer Konsolidierung. Um ihr die Entfaltung ihres Potentials und die Erfüllung ihrer Aufgabe zu ermöglichen, muss sie Zugang zu allen nötigen Ressourcen erhalten und ihre Unabhängigkeit muss gewährleistet werden.

Sehr geehrter Vorsitzender, sehr geehrter Präsident, wir stehen vor vielen Herausforderungen.

Eine besondere Herausforderung ist es heute, die Sicherheit der Bürger insgesamt zu gewährleisten und dabei die Rechte und Freiheiten des Einzelnen nicht zu verletzen.

Wir müssen auch entschieden gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorgehen, da diese Phänomene in Europa noch keineswegs der Vergangenheit angehören; wir müssen uns gegen den Menschenhandel zur Wehr setzen, dem jedes Jahr Tausende zum Opfer fallen; wir müssen der Ausgrenzung von Menschen, die benachteiligten Gruppen oder Minderheiten angehören, ein Ende bereiten.
Das Fortbestehen des 1950 in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte festgelegten Modells hängt von unserer Fähigkeit ab, diese Herausforderungen zu bewältigen. Wir alle sind gefordert, die Werte und Prinzipien eines europäischen Kontinents zu verteidigen, auf dem die Wahrung der Gerechtigkeit, des Friedens, der Sicherheit und der Demokratie an erster Stelle stehen.

Die aktive Unterstützung der Ombudsmänner, der nationalen Menschenrechtseinrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen sind dabei von besonderer Bedeutung. Sie sind für unsere gemeinsame Sache außerordentlich wichtig.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.