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(Es gilt das gesprochene Wort)

Ansprache des Generalsekretärs des Europarates,

Terry Davis

Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit

Warschau, 16. Mai 2005

Herr Präsident,
Exzellenzen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

die Herausforderung des Gipfels der Staats- und Regierungschefs besteht in der Antwort auf die Frage: welchen Zweck hat der Europarat? In einer Welt, in der es viele internationale Organisationen gibt, stellt sich die Frage, für was der Europarat steht.

Auf unsere Errungenschaften als erste internationale Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist und jetzt 46 von insgesamt 47 europäischen Ländern zu ihren Mitgliedern zählt, können wir stolz sein. Die Antwort auf diese Frage können wir jedoch nicht in der Vergangenheit finden, wir müssen in die Zukunft schauen.

Ich meine, dass der Europarat die Zukunft IST. Das Europa der Zukunft ist ein vereintes Europa – eine Einheit, die auf Werten wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit fußt. Die Menschen in Europa wollen meiner Meinung nach heute MEHR Demokratie, MEHR Verteidigung und Achtung der Menschenrechte und MEHR Beachtung der Rechtsstaatlichkeit. Daraus folgt, dass unsere wichtigste Aufgabe darin besteht, die Demokratie zu entwickeln und zu verbreiten, die Menschenrechte auszuweiten, die Rechtsstaatlichkeit zu verfechten und zu fördern und vieles mehr, alle unsere Aktivitäten und Institutionen sind nur Mittel zu diesem Zweck.

Ich hoffe, dass dieser Gipfel das Ministerkomitee und das Sekretariat zur Anhebung der Arbeit für Demokratie sowohl auf der lokalen als auch auf nationalen Ebene autorisiert – und nicht auf Kosten unserer Arbeit zugunsten der Menschenrechte, sondern durch die Anhebung auf dieselbe Ebene. Wir müssen auch mehr tun, um gegen das neue Übel, den Terrorismus, und das alte Übel, den Rassismus, anzugehen. Im Bereich Menschenrechte müssen wir unsere Arbeit ausweiten, um alle Formen der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung an unseren Mitmenschen zu verhindern.

Wenn es eine Eigenschaft gibt, die den Europarat auszeichnet, dann ist es seine direkte Verbindung zum einzelnen Bürger und zu Vertretern der Zivilgesellschaft. Es ist uns allen bekannt, dass der Gerichtshof für Menschenrechte der einzige ist, der jeder Einzelperson das Recht gibt, wegen eines Missbrauchs der Menschenrechte gegen eine Regierung, die Mitglied ist, vorzugehen. Doch unser Petitionsrecht vor dem Gerichtshof ist nicht unsere einzige Verbindung zu den Menschen in Europa. Wir haben eine enge und immer stärker werdende Beziehung zu Nicht-Regierungsorganisationen, die bei der Aufrechterhaltung unserer eigenen Standards eine aktive Rolle spielen.

Warum betonen wir die Demokratie, die doch in unseren 46 Mitgliedsstaaten lebendig – zuweilen dynamisch – ist? Demokratie basiert auf Verhaltenskodices für Wahlen, die die Regeln für Wahlen definieren, doch geht es um mehr. Es geht um das Verhalten von politischen Parteien, wie viel Achtung ihre Vorsitzenden und Mitglieder Andersdenkenden schenken, wie Bürger in einem transparenten und fairen Wahlkampf ihre Regierung wählen können und wie dem Missbrauch von Macht begegnet werden kann.

Die Rolle des Europarates ist, der Verfechter und Motor zur Anwendung dieser Prinzipien zu sein, um den demokratischen Prozess zu festigen. Deshalb ist unsere Beziehung zu den internationalen Nicht-Regierungsorganisationen und dem Europäischen Jugendforum nicht speziell, sondern wesentlich. Sie sind die Grundlage, auf der wir die partizipative Demokratie in ganz Europa aufbauen und stärken.

Die größte Hochachtung für die Opfer, die die Generation unserer Eltern und Großeltern vor 60 Jahren erbrachten, ist, die folgende Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

- eine Vision für ein demokratischeres Europa in einer demokratischeren Welt
- ein Europa – nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Wertegemeinschaft
- ein Europa – nicht nur für Arbeit, sondern auch für Kultur
- und vor allem: ein Europa, in dem die Völker in Sicherheit leben und gleichzeitig ihr Leben genießen können.

Es ist kein Zufall, dass die Europäische Hymne „Ode an die Freude” heißt.