Tillbaka Pressefreiheit unter Druck

Süddeutsche Zeitung (Germany), 26/04/2018

Die brutalen Morde an den Enthüllungsjournalisten Daphne Caruana Galizia und Ján Kuciak erinnern auf tragische Weise daran, dass Europa ein gefährlicher Ort für Journalisten bleibt. Wie europäische Staaten auf diese Morde reagieren, wird nicht nur die Zukunft der Presse bestimmen, sondern auch die Zukunft unserer Demokratien.

Ein Blick auf die verfügbaren Daten hilft, den Ernst der Lage zu verstehen. Allein in den vergangenen zwölf Monaten wurden in Europa sechs Journalisten ermordet, die Hälfte von ihnen in der Europäischen Union. Seit 1992 wurden mehr als 150 Journalisten auf unserem Kontinent ermordet - es kam also alle zwei Monate zu einem Mord. Einige der Opfer berichteten über Kriege, aber die meisten wurden umgebracht, als sie versuchten, dunkle Ecken auszuleuchten, in denen Korruption, Verbrechen und Politik miteinander verschmelzen. Viele von ihnen hatten um Polizeischutz gebeten, aber die staatlichen Stellen ignorierten ihre Bitten.

Morde sind die extremste, sichtbarste Methode, um Journalisten zum Schweigen zu bringen. Aber es gibt noch andere bösartige, weniger sichtbare Bedrohungen, die die Freiheit und Sicherheit von Journalisten in Europa beeinträchtigen. Ein Bericht, den der Index on Censorship und die Europäische Journalistenföderation kürzlich veröffentlicht haben, zeigt, dass im Jahr 2017 insgesamt 220 Journalisten inhaftiert wurden und dass es mehr als tausend Fälle gab, in denen die Pressefreiheit beschnitten wurde, häufig durch staatliche Akteure. Seit 2015 sind beim Europarat mehr als 160 Hinweise auf Angriffe, Schikanen und Einschüchterungen gegen Journalisten eingegangen. Und eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass viele Journalisten sich einer Selbstzensur unterwerfen, um Probleme zu vermeiden.

Diese Atmosphäre vergiftet die Demokratie. Angriffe auf Journalisten, seien es prominente Enthüllungsjournalisten oder unter prekären Bedingungen arbeitende freiberufliche Journalisten, betreffen uns alle. Wenn Journalisten nicht frei und sicher arbeiten können, wird es immer schwieriger, Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Machtmissbrauch aufzudecken. Die Öffentlichkeit bezieht weniger Informationen, als sie benötigt, um sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Und undemokratische Kräfte haben Erfolg.

Aus diesem Grund ist die Pressefreiheit in internationalen Übereinkommen, im innerstaatlichen Recht und in nationalen Verfassungen ein fest etabliertes Menschenrecht. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in mehreren Urteilen hervorgehoben hat, sind die Staaten verpflichtet, die Pressefreiheit zu gewährleisten und das Leben von Journalisten zu schützen. Scheitern sie dabei, so sind die Staaten des Weiteren verpflichtet, bei Morden effektive Ermittlungen durchzuführen und die Täter zu bestrafen. Bedauerlicherweise versagen europäische Staaten allzu häufig darin, dieser Pflicht gerecht zu werden.

Nehmen wir Ermittlungen bei Verbrechen gegen Journalisten. Diese ziehen sich häufig über viele Jahre hin, und obwohl manchmal die unmittelbaren Täter zur Rechenschaft gezogen werden, gehen jene, die diese Verbrechen in Auftrag gegeben haben, viel zu häufig straffrei aus. Ein solches Scheitern setzt Journalisten und deren Familien zusätzlichem Leid aus und fördert den Eindruck von Straflosigkeit, der den Weg für weitere Angriffe auf Journalisten ebnet.

Wenn den Staaten etwas an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit liegt, müssen sie ernsthafter die Standards umsetzen, die sie im Hinblick auf die Sicherheit von Journalisten und anderen Medienschaffenden verabschiedet haben. Sie müssen den Worten Taten folgen lassen.

Ein guter Start ist die Empfehlung, die alle 47 Mitgliedstaaten des Europarats, dem auch die EU-Staaten angehören, 2016 unterzeichnet haben. Der Text enthält konkrete Maßnahmen, die Staaten ergreifen können, um ihrer Verpflichtung nachzukommen, das Leben von Journalisten zu schützen und die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen sie zu beenden.

Ich sehe konkret drei Schritte, die Staaten kurzfristig ergreifen können und müssen. Zunächst einmal müssen sie Schutz gewährleisten. Polizei und Strafverfolgungsbehörden dürfen keine Drohungen gegen Journalisten ignorieren und keine Bitten um Schutz unbeachtet lassen. Einige Staaten verfügen über gutes Fachwissen, wie man Polizeischutz gewährleistet, und sie sollten dieses Wissen zur Verfügung stellen. Mehr Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, Journalistenverbänden und Beobachtungsstellen für Gewalt gegen Journalisten würde ebenfalls dazu beitragen, die Möglichkeiten der Staaten zu verbessern, Journalisten zu schützen.

Zweitens muss die Straflosigkeit beendet werden. Polizei und Justiz müssen in der Lage sein, alle Fälle von Gewalt gegen Journalisten zu untersuchen, einschließlich jener, in die staatliche Akteure verwickelt sind, und die Täter zu verfolgen. Dies erfordert gut ausgebildete und effektive Polizeikräfte und eine unabhängige Justiz, die frei von politischer Einflussnahme ist und, falls nötig, auch höchste Kreise eines Staates strafrechtlich verfolgen kann.

Drittens muss die Gesetzgebung geändert werden. Die Parlamente müssen Gesetze verabschieden, die Journalisten schützen und sie vor unzulässigem Druck bewahren. Beleidigung und Verleumdung sollten als Straftatbestände abgeschafft und nur mit verhältnismäßigen zivilrechtlichen Sanktionen belegt werden können. Und das Recht sollte Strafen für jene vorsehen, die Beleidigungsklagen missbrauchen, um Journalisten zum Schweigen zu bringen. Darüber hinaus müssen es Gesetze, die sich mit Desinformation, Terrorismus oder Sicherheitsfragen befassen, vermeiden, die Freiheiten und die Sicherheit von Journalisten einzuschränken.

Diese Maßnahmen sind umsetzbar, wenn der politische Wille vorhanden ist. Damit kommen wir zum Kern des Problems. Bestenfalls sind viele Politiker gleichgültig im Hinblick auf Drohungen gegen Journalisten. Schlimmstenfalls stacheln sie die Gewalt an und wecken Misstrauen gegen die Presse. Dies muss sich ändern: Politiker müssen die Pressefreiheit schützen, sie dürfen sie nicht begraben.Die Morde an Daphne Caruana Galizia, Ján Kuciak und vielen anderen Journalisten waren nicht schicksalhaft. Sie sind auf strukturelle Mängel in den staatlichen Institutionen zurückzuführen, die sie hätten schützen sollen. Diese Situation gefährdet Journalisten und die Demokratie. Es ist höchste Zeit, dass die Staaten dies zugeben und die Sicherheit von Journalisten und anderen Medienschaffenden gewährleisten.