Bianchi gegen Schweiz  | 2006

Reformen zum Schutz des Familienlebens, nachdem einem Vater verweigert wurde, sein Kind zu sehen

Artikel 8 impliziert das Recht eines Elternteils auf Maßnahmen, die zum Ziel haben, ihn oder sie mit dem Kind zusammenzuführen, und die Verpflichtung der nationalen Stellen, diese Maßnahmen umzusetzen.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 22. Juni 2006

Hintergrund

Als sich Stefano Bianchi von seiner Frau trennte, sprachen ihm die Gerichte das Sorgerecht für den dreijährigen Sohn des Paares zu. Die Mutter nahm jedoch das Kind und floh mit ihm aus Italien in die Schweiz. Sie weigerte sich anschließend zu sagen, wo es sich befand.

Herr Bianchi beschwerte sich, dass die Schweizer Behörden nicht genug taten, um seinen Sohn zu finden.

Urteil des EGMR

Bei der Prüfung des Falls durch den Straßburger Gerichtshof stellte dieser fest, dass Herr Bianchi seinen Sohn seit nahezu zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der Gerichtshof entschied, die Schweizer Behörden hätten eine passive Haltung im Hinblick auf das Auffinden des Kindes eingenommen. Selbst als die Mutter für eine Befragung einbestellt wurde, habe die Polizei diese Gelegenheit nicht genutzt, um den Jungen aufzuspüren. Der fehlende Kontakt zwischen dem Jungen und seinem Vater sei nicht zum besten Wohl des Kindes gewesen.

Das Nichthandeln der Schweizer Behörden habe Herrn Bianchis Recht auf Familienleben verletzt.

Nachbereitung

Das Schweizer Recht wurde geändert und trat 2009 in Kraft. Das Verfahren für den Umgang mit internationalen Kindesentführungen wurde reformiert und Rückführungsverfahren wurden durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen beschleunigt.

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