Grimkowskaja gegen die Ukraine |2011

Verletzung des Familienlebens wegen Verschmutzung durch Autobahn führt zu besseren Umweltschutzmaßnahmen

Durch den starken Verkehr bekamen die Wände Risse, stürzten Häuser ein. Die Nahrungsmittel in den Städten wurden giftig. Die Menschen wurden krank …

Natalja Grimkowskajas Mutter, Klara Grischtschenko, zitiert auf Deutsche Welle, 2011

Hintergrund

Im Jahr 1998 beschlossen die kommunalen Behörden, eine Autobahn durch die ruhige Straße umzuleiten, in der Natalja Grimkowskaja mit ihren Eltern und ihrem kleinen Sohn lebte. 

Das Einfamilienhaus wurde bald unbewohnbar. Hunderte von Lastwagen fuhren rund um die Uhr vorbei. Die Luft war voller Autoabgase. Durch die Erschütterungen wackelten die Möbel in dem Haus. Putz fiel von der Decke und den Wänden. 

Als sich auf der Straße Schlaglöcher bildeten, füllten die kommunalen Behörden sie mit Kohlenstaub, der durch die vorbeifahrenden Fahrzeuge in die Luft gewirbelt wurde.

Grimkowskajas kleiner Sohn litt immer häufiger unter Atemproblemen. Es wurde festgestellt, dass er hohe Kupfer- und Bleikonzentrationen in seinem Körper hatte. Die Ärzte empfahlen, dass er an einem anderen Ort wohnen sollte.

Beschwerden der örtlichen Bevölkerung veranlassten die Behörden, die Schadstoffbelastung an der Straße zu untersuchen. Sachverständige stellten fest, dass die Schadstoffemissionen über den zulässigen Grenzwerten lagen. 

Ein Gericht führte später keine ausreichende Begründung bei der Zurückweisung einer von Grimkowskajas Mutter, Klara Grischtschenko, eingebrachten Zivilklage an. Letztere forderte von der Regierung die Umsiedlung ihrer Familie sowie eine Entschädigung für den Schaden an ihrem Haus und für ihre Gesundheit.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die ukrainische Regierung es versäumt hatte, eine Umweltverträglichkeitsstudie durchzuführen, bevor sie die Straße, in der Grimkowskaja und ihre Familie lebten, in eine Autobahn umwandelten. Es seien keinerlei Anstrengungen unternommen worden, um die schädlichen Auswirkungen der Straße zu verringern. Grimkowskaja sei vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen worden. Dies war ein Verstoß gegen ihre Rechte.

Folgemaßnahmen 

Die Straße, in der Grimkowskaja und ihre Familie leben, ist keine Autobahn mehr. Die Luftqualität ist wieder auf einem normalen Niveau. Die Straße wurde repariert. 

Neben der durch den Europäischen Gerichtshof gewährten Entschädigung sprachen die ukrainischen Gerichte Grimkowskaja einen weiteren Betrag als Schadenersatz zu.

Im Jahr 2017 trat in der Ukraine ein Gesetz zu Umweltverträglichkeitsprüfungen in Kraft. Dadurch werden den Regionalverwaltungen neue Befugnisse und Verpflichtungen zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei geplanten Maßnahmen übertragen und es wird der Öffentlichkeit ermöglicht, sich in einer frühen Phase des Entscheidungsprozesses zu beteiligen. 

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