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B. gegen Frankreich  | 1992

Rechtsstreitigkeit führt zur Stärkung der Rechte von Transsexuellen

Sie befindet sich tagtäglich in einer Situation, die insgesamt nicht vereinbar mit der Achtung ist, die ihrem Privatleben gebührt.

Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 25. März 1992

Hintergrund

Frau B wurde in ihrer Geburtsurkunde als Mann eingetragen, nahm aber bereits im jungen Alter weibliche Verhaltensweisen an. Belastet durch ihre Gefühle bezüglich ihrer Identität, litt sie an Depressionen. Nachdem sie in ein Krankenhaus eingeliefert worden war, verschrieben ihr die Ärzte eine Therapie mit weiblichen Hormonen. Dies führte zur Entwicklung von Brüsten und einer Verweiblichung ihres Erscheinungsbildes, in deren Folge sie sich als Frau kleidete. Frau B unterzog sich außerdem einer Behandlung zur Entfernung ihrer männlichen Genitalorgane und ersetzte sie durch weibliche.

Frau B ging eine Beziehung mit einem Mann ein und wünschte diesen zu heiraten. Dies war ihr allerdings nicht möglich, weil sich die Behörden weigerten, sie als Frau zu registrieren. Diese Weigerung hinderte sie auch an Grenzübertritten, Identitätsüberprüfungen, Bewerbungen für Jobs oder alltäglichen Transaktionen, bei denen ein Nachweis der Identität erforderlich ist, ohne die Diskrepanz zwischen ihrem rechtlichen Geschlecht und ihrem augenscheinlichen Geschlecht zu offenbaren.

Urteil des EGMR

Frau B habe sich in einer tagtäglichen Situation befunden, die mit der Achtung ihres Privatlebens unvereinbar gewesen sei. Dies habe ihre Grundrechte verletzt.

Nachbereitung

1992 schuf das Kassationsgericht einen Präzedenzfall, in dem es feststellte, dass bei Transsexuellen, die sich einer medizinischen und chirurgischen Behandlung unterziehen, die ihr physisches Erscheinungsbild an ihre soziale Identität angleicht, der Personenstand ihr neues Geschlecht wiedergeben muss.

Die gesetzlichen Vorgaben, die Anwendung auf diese Anträge fanden, wurden per Gesetz im November 2016 geändert, um eine umfassende Angleichung an die Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs sicherzustellen.

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