Mladina D.D. Ljubljana gegen Slowenien  | 2014

Zeitschrift musste Schadensersatz für Kritik am homophoben Verhalten eines Politikers leisten

Sieg für die Meinungsfreiheit

Schlagzeile der Mladina, nach dem Urteil des EGMR, April 2014

Hintergrund

Im Juni 2005 veröffentlichte die Zeitschrift Mladina einen Artikel, in dem ein Politiker harsch für seinen Beitrag zu einer Debatte im Parlament kritisiert wurde.

Die Debatte befasste sich mit der Einführung von Lebenspartnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare. Der Politiker hatte erklärt, Homosexuelle seien generell unerwünscht, sei es als Kinder, gleichgeschlechtliche Paare oder Eltern.

Der Artikel in der Zeitschrift Mladina beschrieb den Politiker als „hirntot”.

Der Politiker verklagte die Zeitschrift für diese Formulierung mit der Begründung, diese hätte ihn beleidigt. Die slowenischen Gerichte entschieden zugunsten des Politikers und wiesen die Zeitschrift an, ihm 2.921 Euro Schadensersatz zu zahlen. Die Zeitschrift musste außerdem einen Teil des Urteils veröffentlichen.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof erklärte, die Beschränkungen bei kritischen Äußerungen über einen Politiker seien weiter gefasst als bei einer Privatperson – insbesondere dann, wenn der Politiker in der Öffentlichkeit kontroverse Erklärungen tätigt. Der Artikel sei kein grundloser persönlicher Angriff auf den Parlamentarier gewesen. Es hätte sich vielmehr um eine Reaktion auf seine öffentlichen Äußerungen gehandelt, in denen er Homosexuelle lächerlich gemacht hatte. Unter diesen Umständen sei die Entscheidung der slowenischen Gerichte unverhältnismäßig gewesen und habe das Recht der Zeitschrift auf Meinungsfreiheit verletzt.

Wir hoffe, dass die heutige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Rechtsprechung zu einer Öffnung im Bereich der freien Äußerung kritischer Meinungen und Positionen führen wird.

Matija Stepišnik, Präsidentin des slowenischen Journalistenverbandes, zitiert in der Zeitschrift Mladina

Nachbereitung

Zur Unterstützung der Meinungsfreiheit in Slowenien änderte das Verfassungsgericht seinen Ansatz für Entscheidungen in ähnlichen Fällen, indem es die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in seine eigene Rechtsprechung aufnahm.

Die Zeitschrift Mladina erhielt eine Entschädigung in Höhe von 2.921 Euro sowie eine Erstattung der Verfahrenskosten.

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