Eremia gegen die Republik Moldau |2013

Mehr Unterstützung für Opfer, nachdem Mutter und Töchter Fall häuslicher Gewalt gewinnen

Laut dem EGMR erleiden Kinder, die Zeugen von häuslicher Gewalt werden, ein psychisches Trauma und der Staat schuldet ihnen Schutz.

Doina Ioana Străisteanu, die Anwältin der Beschwerdeführerinnen, zitiert auf RFE/RL

Hintergrund

Ein Gericht gewährte Lilia Eremia eine einstweilige Verfügung gegen ihren gewalttätigen Ehemann, der häufig betrunken nach Hause kam und sie schlug, mitunter vor ihren Töchtern im Teenager-Alter, Doina und Mariana. 

Die beiden Mädchen fühlten sich hilflos. Gegen ihren Vater, der ein im Dienst stehender Polizeibeamter war, wurde ein Betretungsverbot für den Wohnsitz der Familie ausgesprochen.

Einmal belästigte Eremias Ehemann sie auf der Straße. Einige Tage später verschaffte er sich unter Verstoß gegen die einstweilige Verfügung Zutritt in ihr Zuhause, griff Eremia an und beschimpfte Mariana. 

Eremia meldete diese Vorfälle, erklärte jedoch, dass die Polizei sie dazu gedrängt habe, ihre Beschwerde zurückzuziehen. Sie warnten sie, dass ihr Ehemann seine Arbeit verlieren würde, wenn er verurteilt würde, und dies würde die Lebenschancen ihrer Töchter beeinträchtigen. 

Am nächsten Tag verstieß Eremias Ehemann erneut gegen die einstweilige Verfügung, indem er zum Wohnsitz der Familie kam. Er schlug Eremia und drohte, sie umzubringen. 

Die Staatsanwaltschaft leitete schließlich ein Ermittlungsverfahren ein, setzte es dann jedoch für ein Jahr aus mit der Maßgabe, dass es wiedereröffnet würde, wenn Eremias gewalttätiger Ehemann während dieser Zeit eine weitere Straftat beging. Sie erklärte, dass der Mann „keine Gefahr für die Gesellschaft darstellt“.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, das die moldauischen Behörden keine wirksamen Maßnahmen ergriffen haben, um Eremia zu schützen oder zu verhindern, dass ihre zwei Töchter psychischen Schaden erleiden, weil sie Zeuge der Gewalt ihres Vaters gegen ihre Mutter wurden. Dies verstieß gegen ihre Rechte. 

Moldau habe außerdem Eremia als Frau diskriminiert, indem wiederholt über die Gewalt hinweggesehen und eine sexistische Haltung ihr gegenüber eingenommen worden sei.

Das Ausbleiben eines entschlossenen Vorgehens der Behörden . . . ist noch beunruhigender, wenn man bedenkt, dass der Angreifer ein Polizeibeamter war, dessen berufliche Aufgaben . . . den Schutz der Rechte anderer, die Verbrechensverhütung und den Schutz der öffentlichen Ordnung [umfassen].“

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Mai 2013

Folgemaßnahmen 

Die moldauische Regierung reagierte auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, indem sie Eremia, Doina und Mariana mehr Schutz bot. Es gab seitdem keine neuen Meldungen über Gewalt mehr. 

Moldau hat nach dem Urteil in diesem Fall zudem eine Reihe von Maßnahmen zur allgemeinen Bekämpfung von häuslicher Gewalt ergriffen:

  • Im Jahr 2017 unterzeichnete Moldau das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („IstanbulKonvention“).
  • Moldau änderte seine Gesetze zu häuslicher Gewalt. Diese Veränderungen, die seit 2016 in Kraft sind, bieten Opfern häuslicher Gewalt bessere Unterstützung und sehen härtere Sanktionen gegen Täter vor, darunter strafrechtliche Sanktionen wegen des Verstoßes gegen eine einstweilige Verfügung.
  • Die moldauischen Behörden haben Schulungen zur Verhütung von häuslicher Gewalt für Richter, Staatsanwaltschaft und Polizei organisiert sowie Sensibilisierungs- und Informationskampagnen für die Öffentlichkeit.

Obgleich erste Fortschritte erzielt wurden, wurden systemische Probleme im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt in Moldau noch nicht vollständig behoben und werden weiterhin vom Ministerkomitee des Europarates überwacht. Es wird erwartet, dass die moldauischen Behörden zu gegebener Zeit weitere Maßnahmen ergreifen.

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