Glass gegen das Vereinigtes Königreich |2004

Kampf einer Mutter um das Leben ihres Kindes führt zu besseren Leitlinien zur elterlichen Einwilligung in Behandlungen

. . . David wollte nicht sterben.

Aus der Lebensgeschichte von David Glass

Hintergrund 

David Glass wurde mit schweren geistigen und körperlichen Behinderungen geboren. Im Jahr 1998 wurde er wegen Komplikationen nach einer Operation mehrmals ins Krankenhaus gebracht. 

Als sich Davids Zustand verschlechterte, kamen die Ärzte zu der Überzeugung, dass er im Sterben lag. Ihrer Meinung nach wäre eine Fortsetzung der Intensivpflege – über den Einsatz von Morphin zur Linderung seines Leids hinaus – falsch.

Davids Mutter, Carol Glass, widersprach dem entschieden. Sie glaubte, dass ihr Sohn sich erholen würde. Glass lehnte den Einsatz von Morphin ab und bestand darauf, dass die Ärzte David wiederbelebten, falls nötig. 

Doch ohne Glass’ Wissen notierten die Ärzte in Davids Krankenakte den Vermerk „Nicht wiederbeleben“. In einer kritischen Phase behandelten sie ihn trotz der Einwände der Angehörigen außerdem mit Morphin. 

Davids Zustand verschlechterte sich rapide. Es brach ein Streit zwischen einigen Familienangehörigen und den Ärzten aus, die weiterhin darauf beharrten, dass David nicht wiederbelebt werden sollte. Während der Auseinandersetzung konnte Glass ihren Sohn erfolgreich wiederbeleben. 

Davids Zustand verbesserte sich und er konnte am selben Tag das Krankenhaus verlassen. 

Glass beantragte eine vollständige rechtliche Überprüfung der vom Krankenhaus in Bezug auf die Behandlung ihres Sohns getroffenen Entscheidungen, doch die Gerichte des Vereinigten Königreichs genehmigten den Antrag nicht. 

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die Entscheidung, sich – ohne Gerichtsbeschluss, den das britische Recht vorschreibt – über Glass’ Einwände gegen Davids vorgesehene Behandlung hinwegzusetzen, einen Verstoß gegen Carol und David Glass’ Rechte zur Folge hatte. 

Folgemaßnahmen

Im April 2005 wies die Geschäftsleitung des staatlichen Gesundheitssystems in Großbritannien (NHS) leitende Führungskräfte des NHS auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in David und Carol Glass’ Fall hin und erinnerte sie an den einschlägigen Rechtsrahmen und die Umstände, unter denen Ärzte sich an die Gerichte wenden müssen, wenn Eltern Einspruch gegen die vorgesehene Behandlung ihrer Kinder erheben.

Im Jahr 2009 veröffentlichten die britischen Behörden revidierte und aktualisierte Leitlinien bezüglich der Einwilligung von Eltern in Behandlungen. 

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