Zurück Konflikt in der Ostukraine

Menschenrechtskommissar über die gravierenden Folgen des Konflikts in der Ostukraine

Der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine hat verheerende Auswirkungen auf die Menschenrechte der Bevölkerung gehabt. Auch die humanitäre Lage ist extrem schwierig und die Menschen leiden weiterhin stark unter der Situation“, stellte heute der Menschenrechtskommissar Nils Muižnieks auf einem Besuch in der Ukraine fest. Auf seiner von 30. November bis 5. Dezember dauernden Reise besucht Muižnieks unter anderem die Hauptstadt Kiew und die östlichen Regionen des Landes, darunter die Städte Dnipropetrowsk, Dniprodserschynsk, Kurachowe und Krasnoarmijsk. Die beiden letzteren Städte befinden sich jeweils 15 bzw. 30 Kilometer von der Frontlinie entfernt.

„Das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte und andere Quellen berichten von zahlreichen ernsten Menschenrechtsverletzungen, vor allem von Seiten der Rebellen aber auch Regierungskräften und Freiwilligenbataillons, die an deren Seiten kämpfen“ unterstrich der Kommissar und bezieht sich auf Hunderte Fälle von Tötung, Entführung und Verschleppung sowie Folter und Misshandlung. „Die Notwendigkeit, die Täter für diese schweren Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, stand im Mittelpunkt sämtlicher  Reden, die ich während meiner vier diesjährigen Reisen in die Ukraine gehalten habe.“ Er unterstrich erneut, dass effiziente Ermittlungen durchzuführen sind, wobei den Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung getragen werden muss. Der Kommissar wies die ukrainischen Behörden erneut darauf hin, dass es unablässig ist, uneingeschränkt mit dem vom Generalsekretär des Europarats eingerichteten Internationalen Beratergremium zusammenzuarbeiten. Aufgabe des Gremiums ist die Prüfung der Untersuchungen der Ereignisse auf dem Maidan und in Odessa. Der Kommissar erörterte diese Angelegenheiten eingehend mit dem Generalstaatsanwalt Jarem und dem Außenminister Klimkin, die ihm beide zustimmten, dass ein Signal gesetzt werden soll, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, ganz gleich auf welcher Seite des Konflikts sie stehen. Es wurden in dieser Hinsicht bereits Schritte veranlasst und die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden haben eine große Anzahl Strafverfahren eingeleitet.

Muižnieks informierte sich auch über die Situation von Binnenflüchtlingen, von denen es in der Ukraine mindestens eine halbe Million gibt. Der Kommissar besuchte Unterkünfte und/oder Erfassungsstellen für diese Flüchtlinge im Raum Kiew und den anderen oben genannten Orten. „Organisationen der Zivilgesellschaft berichteten mir, dass in Dnipropetrowsk nach wie vor täglich 70-100 Menschen aus den Konfliktzonen und -gebieten Donetzk and Luhansk ankommen, die sich außerhalb der Kontrolle der ukrainischen Behörden befinden. Am Höhepunkt der Feindseligkeiten im August dieses Jahres kamen täglich zwischen 300 und 350 solcher Flüchtlinge“, merkt er an. „Freiwillige, lokale und regionale Behörden und Unternehmen haben erhebliche – und lobenswerte – Anstrengungen für das Wohl der Binnenflüchtlinge unternommen. Dennoch sind die Gemeinden vielerorts überfordert und es bedarf einer Einbindung und Koordination der nationalen Behörden.“ Der Kommissar begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes zu Binnenflüchtlingen und unterstreicht, dass es Hürden bei der Umsetzung des Gesetzes auf lokaler Ebene zu meistern gilt. Vor diesem Hintergrund empfahl er den nationalen Behörden, rasch einen detaillierten Plan zur Umsetzung des neuen Gesetzes vorzulegen und Lösungen für die langfristige Integration der Flüchtlinge zu finden, die nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen oder können. Außerdem sollte bei politischen Entscheidungen zu diesem Thema die Zivilgesellschaft, lokale Akteure und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen befragt werden.

Pensionszahlungen wurden für Menschen in Gebieten die sich der Kontrolle der ukrainischen Behörden entziehen, aufgehoben. Der Kommissar äußerte in diesem Zusammenhang tiefe Besorgnis und warnte davor, dass dies zu einer weiteren Isolierung dieser Regionen führen würde. Die Notlage der Menschen, die ohnehin extrem unter den Kriegshandlungen, der Zerstörung der Infrastruktur und Gesetzlosigkeit litten, werde sich noch verschärfen. „Viele Binnenflüchtlinge, die mir auf meinen Reisen begegneten, hatten fünf Monate lang weder Leitungswasser noch Strom. Zudem war ich erschüttert über die Not der Schwächsten, in den Regionen Donetzk and Luhansk, das heißt der älteren Bevölkerung, der Behinderten, Inhaftierten und Bewohner psychiatrischer Einrichtungen, die teilweise gar Hunger leiden mussten.“ Der Kommissar rief die ukrainischen Behörden auf, bei der Zahlung von Pensionen an Menschen, die die Konfliktregionen verlassen, flexibel vorzugehen und eng mit internationalen Organisationen und humanitären Gruppen zusammen an einer Lösung zu arbeiten und bedürftige Menschen zu erreichen. Bei seinen Gesprächen mit unterschiedlichen Akteuren vor Ort, einschließlich vieler Zivilisten, die flüchten oder aufgrund des Konflikts anderweitig Not erleiden mussten, und der lokalen Behörden und Organisationen der Zivilgesellschaft, die ihnen helfen, vernahm der Kommissar oft den Ruf nach Frieden und einen Ende der Auseinandersetzungen. „Es muss eine friedliche Lösung gefunden werden, um die Kämpfe und Gewalttätigkeiten zu beenden und weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.“

Bis eine entsprechende Lösung für den aktuellen Konflikt gefunden wurde, können dennoch Schritte zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes in der Ukraine auf lange Sicht gesetzt werden. Mit diesem Ziel organisierte der Menschenrechtskommissar in Partnerschaft mit dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte am 1. Dezember in Kiew ein Treffen. Auf der Tagungsordnung stand die Entwicklung eines nationalen Maßnahmenplans für Menschenrechte in der Ukraine. Die Situation der Binnenflüchtlinge und anderer gefährdeter Gruppen sollte dabei im Mittelpunkt stehen. „Ich glaube, dass Menschenrechte im Mittelpunkt jeder demokratischen Staatsführung stehen sollen. Das Versprechen der ukrainischen Regierung in dieser Hinsicht stimmt mich zuversichtlich“, schließt der Menschenrechtskommissar.

Pressemitteilung

Siehe auch:

Die Ukraine im Europarat

Menschenrechtskommissar Straßburg 8. Dezember 2014
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