Warum die öffentliche Diskussion gerade heute wichtig ist
In einigen Fällen existieren keine rechtlichen Rahmenbedingungen, die sich mit den Risiken, den Folgen und den gesellschaftlichen Implikationen befassen, oder diese halten nicht mit den technischen Entwicklungen Schritt. Viele Technologien entwickeln sich unablässig weiter und führen zu Anwendungen, mit denen man unter Umständen nicht gerechnet hat. Sie sind mitunter schwer greifbar und werden daher möglicherweise von den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen nicht erfasst.
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Die Entwicklungen in der Biomedizin, insbesondere die neuen Technologien, sind oft komplex. Sie kommen unter ganz besonderen sozialen und kulturellen Umständen zum Tragen, bieten neue Möglichkeiten, bringen aber auch Unwägbarkeiten und Unklarheiten mit sich. Anfangs sind die Vorteile oft sichtbarer als die Risiken und Nebenwirkungen, die nicht immer vorhersehbar sind und erst im Zuge der praktischen Erfahrung erkennbar werden. Wenn die Folgen dann deutlicher sichtbar werden, ist es unter Umständen zu spät, die Entwicklungen in eine andere Richtung zu leiten.
Verantwortungsbewusste Ansätze bei biomedizinischen Innovationen zeichnen sich durch ein Bewusstsein dafür aus, dass Entwicklungen mit weitreichenden Auswirkungen sowohl für den einzelnen Menschen wie auch für die Gesellschaften, in denen diese Menschen leben, antizipiert und die Öffentlichkeit entsprechend aufgeklärt werden müssen. Dabei wird die Öffentlichkeit auch in den Entscheidungsfindungsprozess einbezogen, um zu annehmbaren Ergebnissen zu gelangen. Es wird zum Beispiel festgelegt, wie und unter welchen Umständen eine neue Technologie eingesetzt werden soll. Die öffentliche Diskussion In diesem Dokument und in Artikel 28 des Übereinkommens von Oviedo beschreibt der Überbegriff «öffentliche Diskussion» den diskursiven Austausch im öffentlichen Raum (ausserhalb des berufsbezogenen Kontextes), der es Einzelpersonen und Gruppen ermöglicht, unterschiedliche Interessen in Bereichen, die uns (potenziell) alle betreffen, auszumachen, zu erörtern und miteinander in Einklang zu bringen. kann dazu beitragen, die Werte und Grundsätze herauszuarbeiten, die den verschiedenen Reaktionen auf biomedizinische Entwicklungen zugrunde liegen, sodass die politischen Entscheidungsträger bei unerwartet auftretenden Auswirkungen besser reagieren können.
Trotz der offenkundigen Vorteile, die der breite Zugang zu digitalen Informationstechnologien bietet, ist es bedauerlich, dass es dadurch zu einer verstärkten Spaltung der Gesellschaft gekommen ist. Er hat die Verbreitung von Fehlinformationen ermöglicht, Klüfte in der Gesellschaft entstehen lassen und dazu geführt, dass Diskussionen innerhalb homogener Gruppen eine Eigendynamik entwickeln können. Dies wiederum führte zu einer wachsenden Kritikunfähigkeit sowie dazu, dass Meinungen mehr zählen als Fakten und wissenschaftliche Beweise. Mit der Förderung der öffentlichen Diskussion, bei der gegensätzliche Meinungen einander gegenübergestellt oder gesicherte Erkenntnisse vorgebracht werden können, wird ein bedeutendes Gegengewicht zu solchen Phänomenen geschaffen.
Es ist besonders wichtig, dass die Interessen nicht nur basierend auf einer Mehrheitsmeinung in spezifischen Umgebungen wie den sozialen Netzwerken beurteilt werden, die weder eine echte Diskussion zulassen noch Rechenschaftspflicht fordern. Ohne eine integrative Diskussion besteht die reale Gefahr, dass die Stimmen vulnerabler Personen nicht gehört werden. Dies kann sogar so weit gehen, dass diese Personen nicht mehr in der Lage sind, die Achtung ihrer Grundrechte einzufordern.
Im Bereich der Biomedizin kann es rasch zu neuen technischen Entwicklungen kommen, was sowohl den Gesetzgeber als auch die Gesundheitsfachpersonen vor Herausforderungen stellt.
Neue soziale Interaktionsplattformen können innerhalb von isolierten Gruppierungen zu einer stark polarisierenden Diskussion über Themen führen, die eine breitere und integrativere Betrachtung verdienen.
Ohne die Förderung der öffentlichen Diskussion werden die Stimmen marginalisierter oder vulnerabler Gruppen möglicherweise nicht gehört oder gar ignoriert.

Deutschland – Öffentliche Diskussion über Genomchirurgie (2019)
Die rasante Entwicklung in der Genomchirurgie mit CRISPR‐Cas9 wirft bedeutende ethische Fragen auf, die im Rahmen einer öffentlichen Diskussion anzugehen sind, und zwar sowohl zur Schaffung eines Bewusstseins wie auch zur Ermittlung der damit verbundenen Risiken und Vorteile. Deutschland ist eines der Länder, das eine breite öffentliche Diskussion zu diesem Thema in Gang gesetzt hat. Siehe dazu die 2019 lancierte deutsche Initiative «Genomchirurgie im gesellschaftlichen Diskurs».