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Portugal – Öffentliche Diskussion zum Thema Lebensende (2017)

Hintergrund, Initiator und Teilnehmende

Der Nationale Ethikrat der Lebenswissenschaften (Conselho Nacional de Ética para as Ciências da Vida, CNECV) organisierte eine landesweite Diskussion zum Thema Lebensende, die nebst der Sterbehilfe auch verschiedene ethische Aspekte im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung am Lebensende beinhaltete.

Die Initiative startete im Mai 2017, und es folgte eine ganze Reihe öffentlicher Diskussionen. In zwölf Städten des Landes fanden insgesamt vierzehn Diskussionen statt, an denen eine Vielzahl von Menschen teilnahm.

Ziel : Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Förderung einer offenen und fundierten Diskussion zwischen allen Bürgerinnen und Bürgern, um eine verantwortungsvolle Mitwirkung an der demokratischen Entscheidungsfindung zu ermöglichen.


Die Fragestellung

Während der Diskussion tauchten insbesondere Fragen auf im Zusammenhang mit:

  • der Achtung der individuellen Autonomie,
  • den Grenzen der Autonomie bei Verlangen nach Sterbehilfe und assistiertem Suizid,
  • Sterbebegleitung und der Verfügbarkeit und Angemessenheit der medizinischen Versorgung,
  • Argumenten für und gegen die Legalisierung der Sterbehilfe und des assistierten Suizids.

Vorgehen

Die Bürgerinnen und Bürger konnten an sämtlichen Diskussionen teilnehmen.

Die eingeladenen Sachverständigen wurden gebeten, sowohl über die Dilemmata zu berichten, mit denen sie in ihrem jeweiligen Berufsfeld konfrontiert sind (Medizin, Religion, Philosophie, Recht), wie auch ihre persönlichen Standpunkte (zum Beispiel als Jugendliche, Patientenvertretende oder Meinungsbildner) zum Ausdruck zu bringen.

Anlässlich der letzten Konferenz (die internationale Konferenz) wurden im Hinblick auf die Bedeutung der Rolle der Zivilgesellschaft und der Entscheidungsfindung zwei Ansätze erarbeitet. Die Sachverständigen der verschiedenen Länder sollten nicht ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringen, sondern vielmehr einen Überblick über die Rechts- und Sachlage in ihren jeweiligen Ländern geben. Die «Hauptakteure» waren die Bürgerinnen und Bürger, die den Vorträgen beiwohnten und denen es freistand, sich zu Wort zu melden, Fragen zu stellen und Erfahrungen auszutauschen.

Nebst dem spezifischen Thema der Sterbehilfe hatten die Teilnehmenden auch Gelegenheit, über Fragen zum Thema Lebensende zu diskutieren (Palliativpflege, informierte Einwilligung).

Das Projekt wurde im Dezember 2017 abgeschlossen. Anfang 2018 stimmte das Parlament dann gegen die vorgeschlagene Gesetzesänderung.

Die Diskussionen wurden aufgezeichnet und auch von den Medien mit Interesse aufgenommen. Ein Medienpartner berichtete regelmässig über die Diskussionen (Interviews, Fotos, Ankündigungen und Reportagen im Anschluss an die Veranstaltungen).

Es wurde ein Buch mit dem Titel «Über das Lebensende entscheiden – Diskussionsreihe» veröffentlicht, das Auszüge der gehaltenen Vorträge sowie Beiträge der Öffentlichkeit enthält (die einen Überblick über sämtliche vertretenen Standpunkte geben), darunter auch die anlässlich der internationalen Konferenz gehaltenen Referate. Darüber hinaus enthielt das Buch ein Glossar, eine Zusammenfassung der wichtigsten während der Diskussionen aufgeworfenen Fragen und vorgebrachten Argumente sowie eine kurze rechtsvergleichende Studie.


Nennenswerte Aspekte und gewonnene Erkenntnisse

Diese Initiative wurde von allen Teilen der Gesellschaft begrüsst. Man hat erkannt, wie wichtig es ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer offenen und pluralistischen Diskussion eine eigene Meinung bilden können.

Dank der Partizipation der wichtigsten Akteure an der öffentlichen Diskussion konnten die Bürgerinnen und Bürgern deren Standpunkte, Hoffnungen und Ängste nachvollziehen.

Am 1. Februar 2019 wurde anlässlich einer feierlichen Veranstaltung unter Anwesenheit des Präsidenten der Republik eine Publikation präsentiert, die die Höhepunkte der Diskussionen, die wichtigsten Schlussfolgerungen, ein Glossar sowie eine kurze vergleichende Analyse der gesetzlichen Rahmenvorgaben enthält. Auch wenn sich das Parlament gegen die formulierten Gesetzesänderungsvorschläge ausgesprochen hat, bleibt das Dokument weiterhin relevant und man wird die darin enthaltenen Schlussfolgerungen in Zukunft zu Referenzzwecken heranziehen können.

Auswirkung

Mit Blick auf die breite Berichterstattung von Radio und Fernsehen sowie die Pressemitteilungen und Meinungsartikel in der regionalen und nationalen Presse haben die Diskussionen in der lokalen Bevölkerung grossen Nachhall gefunden. Das Format der Anhörungen sowie die Ermöglichung eines freien Meinungsaustauschs zum Thema waren etwas völlig Neues.

Interessant ist, dass mehrere Einrichtungen den CNECV baten, die öffentliche Diskussion fortsetzen zu können. Sie schlugen vor, dazu Diskussionsveranstaltungen an Orten zu organisieren, die ursprünglich nicht auf dem Plan standen.

Es wurde eine Sonderpublikation mit einer Zusammenfassung der Diskussionen herausgegeben. Darin enthalten waren die wichtigsten Positionen der Teilnehmenden (Referentinnen und Referenten, Vertreterinnen und Vertreter der Öffentlichkeit) sowie die einvernehmlichen Schlussfolgerungen und die grossen Fragen, die zu kontroversen Ansichten und auch Meinungsverschiedenheiten führten.

Diese Publikation wurde landesweit über ein dichtes Netz von Buchhandlungen vertrieben und war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Dass der Präsident der Republik an der feierlichen Publikationspräsentation anwesend war und die Bedeutung der Initiative hervorhob, beflügelte die Medienberichterstattung zusätzlich.