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(Es gilt das gesprochene Wort)

 

Rede des Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Luzius Wildhaber

Sehr verehrter Vorsitzender, Exzellenzen,

Der Europäische Gerichthof für Menschenrechte ist mehr als nur eine weitere europäische Institution: Er ist ein Symbol. Wie keine andere Institution steht er für einen wesentlichen Teil der europäischen Rechtskultur. Er ist eine der besten Errungenschaften des Europarates. Er ist auch eine Errungenschaft von Ihnen, den Regierungen der Mitgliedsstaaten - aber es liegt auch in Ihrer Verantwortung, seine kontinuierliche Wirksamkeit sicherzustellen.

Der Gerichtshof – und der gesamte Konventionsmechanismus- schaffen seit über fünfzig Jahren umfassende Menschenrechtsnormen, die den nationalen Behörden und Gerichten in den Mitgliedsstaaten des Europarates als Leitlinien dienen. Dadurch hat der Gerichtshof in der Vergangenheit eine wichtige Rolle als definitiver Hüter der Menschenrechte gespielt, die er auch weiterhin übernehmen wird, auch beim Übergang zu einer demokratischen Regierungsführung und deren Konsolidierung.

Die äußeren Umstände, unter denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun tätig ist, haben sich in den letzten 15 Jahren jedoch grundlegend verändert. Die Tatsache, dass 800 Millionen Bürger aus 45 (bald 46) Ländern Zugang zu einem internationalen Rechtsorgan haben, musste zwangsläufig zu einer starken Belastung des Gerichtshofs und seiner Verfahren führen. Diese Entwicklung war keine Überraschung. Die derzeit 80 000 beim Gerichtshof anhängigen Beschwerden sind daher nicht das Ergebnis einer schlechten Funktionsweise oder von Missmanagement, sondern spiegeln lediglich die Bedeutung wider, die der Gerichtshof in den Köpfen und Herzen der Europäer einnimmt, und zwar von Dublin bis Wladiwostok. Die anhängigen Beschwerden sind eine unvermeidbare Konsequenz der paneuropäischen Reichweite der Garantien der Konvention und der Tatsache, dass der Gerichtshof nichts weiter getan hat, als seinen in der Konvention festgelegten Aufgaben nachzukommen.

Betrachtet man das bisher Erreichte, so ist der Straßburger Gerichtshof ohne jeden Zweifel der produktivste aller internationalen Gerichtshöfe – und ich bin stolz, dies sagen zu können. Die beiden Prüfungsberichte zum Management des Gerichtshofs, die den Regierungen am 15. Mai vorgelegt wurden, haben bestätigt, dass die Zahl der Beschwerden weiter steigen wird und es daher, trotz aller Anstrengungen des Gerichtshof, der seine Produktivität in den letzten sechs Jahren um fast 500 % gesteigert hat, radikalerer Maßnahmen bedarf.

In diesem Zusammenhang appelliere ich an Sie, die Staats- und Regierungschefs, als Initiatoren und Garanten des Konventions-Systems, bei diesem Gipfel die Gelegenheit zu nutzen und allen Europäern ein klares und deutliches Signal zu geben, dass Sie entschlossen sind, das System aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass es - wie vom Ministerkomitee kürzlich erklärt - ''die wichtigste Referenz für den Schutz der Menschenrechte in Europa ''bleibt. Um dies zu erreichen, fordern wir klar und deutlich dazu auf, das Protokoll Nr. 14 als ersten und notwendigen Schritt zur Stabilisierung des Europäischen Gerichtshofs und seiner Fähigkeit, seine Mission zu erfüllen, schnell zu ratifizieren. Wir wissen jedoch, - mit Blick auf die kürzlich durchgeführten Vorausschätzungen der beiden Prüfungen und des Gerichtshofs - dass das Protokoll Nr. 14 allein nicht reicht. 

Deshalb müssen wir über das Protokoll Nr. 14 hinausschauen und die langfristige Zukunft des Systems ansprechen. Damit sollten wir jetzt beginnen. Was für einen internationalen Schutzmechanismus brauchen wir im Europa des 21. Jahrhunderts? Entsprechen die jetzigen Verfahren dem paneuropäischen Charakter, den das System seit seinem Bestehen bekommen hat? Welchen Einfluss wird der geplante Beitritt der Europäischen Union zur Konvention haben? Wie kann das System in einer sich immer schneller verändernden Welt am besten die Anleitung geben, die von den Regierungen wie von den Bürgern erwartet wird? Das sind einige der wesentlichen Fragen, die wir dringend angehen müssen, wenn wir eine Chance haben wollen, das System in die Lage zu versetzen, in der es neuen Herausforderungen rechtzeitig entgegentreten kann.

Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, das System zu richten, aber es ist der richtige Zeitpunkt für eine Vision. Eine Vision davon, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das bleibt, was er seit seiner Einrichtung zum Nutzen von fast zwei Generationen Bürgern ist: das greifbare Symbol für den wirksamen Vorrang der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit auf unserem Kontinent. 

Eine langfristige Vision und eine entsprechende Strategie zu entwickeln, braucht Zeit, da viele verschiedene Aspekte gründlicher Überlegung bedürfen. Deshalb möchte ich Sie im Namen des gesamten Gerichtshofs dringend auffordern, bei diesem Gipfel ein internationales Gremium einzurichten, das aus herausragenden Persönlichkeiten besteht und das die langfristige Wirksamkeit des Kontrollmechanismus der Konvention prüft. Ich meine, und darin stimmen wir doch alle überein, sollte seine Arbeit keine politische Aufgabe sein. Ziel sollte eher sein, den Regierungen eine Reihe durchführbarer Optionen vorzustellen, die dann zum Thema eines politischen Prozesses werden. Deshalb brauchen wir hochrangige Personen, deren Unabhängigkeit verbrieft ist, und die praktische Erfahrung mit dem haben, was ein Gerichtshof ist; Personen mit der Vision und dem Mut, die beste langfristige Lösung zu unterbreiten.

Herr Vorsitzender, Exzellenzen, Ihre Entscheidungen, die Sie beim Gipfel treffen, sollten zeigen, dass sich die höchste politische Ebene um die Menschenrechte in Europa kümmert, und das ist richtig so, da ein effizienter Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ein unentbehrlicher Teil im Gefüge der jetzigen und künftigen europäischen Architektur ist. 

Ich danke Ihnen.