Rede von Giovanni Di Stasi, Präsident des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates
26 April 2005
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Exzellenzen,
meine sehr geehrten Damen und Herren
Es ist für mich eine große Ehre, als Vertreter des Kongresses, der die Gemeinden und Regionen des Europarates repräsentiert, heute vor Ihnen das Wort zu ergreifen. Mit Ausnahme von Weißrussland umfasst der Europarat 46 der 47 Länder des europäischen Kontinents. Wie wir alle wissen, ist Weißrussland noch weit davon entfernt, unsere Werte und Verpflichtungen, wie Rechtsstaatlichkeit, pluralistische Demokratie und Achtung der Menschenrechte, zu teilen.
Der Prozess der Überarbeitung der Europäischen Charta über die Teilnahme junger Menschen am städtischen und regionalen Leben aus dem Jahr 1992 steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Forderung, die auf der Konferenz von Krakau im März 2002 gestellt wurde. Die Konferenz wurde anlässlich des 10-jährigen Bestehens der ersten Fassung der Europäischen Charta veranstaltet, die 1992 vom Kongress der Gemeinden und Regionen verabschiedet wurde.
Unser Ziel war es, die Europäische Jugendcharta aus dem Jahr 1992 zu ändern und sie den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Dieses neue Instrument, die überarbeitete Charta, die im Mai 2003 vom Kongress verabschiedet wurde, steht Ihnen zur Verfügung.
Die überarbeitete Charta ist logischer strukturiert und wurde in drei Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt gibt den Gemeinden und Regionen Leitlinien zur Hand, wie auf den verschiednen Gebieten, die für junge Menschen von Bedeutung sind, politische Maßnahmen durchzuführen sind. Im zweiten Teil sind Möglichkeiten aufgelistet, wie eine stärkere Teilnahme junger Menschen zu erreichen ist. Im dritten Abschnitt schließlich wird dargelegt, wie institutionelle Bedingungen für die Teilnahme junger Menschen geschaffen werden können.
Die überarbeitete Charta enthält neue Kapitel über gänzlich neu entstandene Politikfelder und über solche, die an Bedeutung gewonnen haben. Sie sollen die Teilnahme junger Menschen am städtischen und am regionalen Leben fördern. Politikfelder, die in der Vergangenheit immer bedeutender wurden, sind die Informationsgesellschaft und die Nutzung des Internets. Das Internet wurde für die Förderung der Teilnahme junger Menschen ein mächtiges Instrument. Die überarbeitete Charta hat das in diesen neuen Technologien enthaltene, ernorme Potential für die Förderung der Teilnahme junger Menschen erkannt, sieht aber auch die Gefahr, dass Menschen, die keinen Zugang zu diesen Technologien haben, ausgeschlossen werden.
Unsicherheit und Gewalt in Städten haben in den letzten zehn Jahren zugenommen. Der Kongress möchte betonen, wie wichtig es ist, diese Probleme zu bewältigen - nicht nur, indem man sie ins Bewusstsein der Menschen rückt, sondern indem man junge Menschen unmittelbar an politischen Entscheidungsprozessen in ihrer Nachbarschaft und Stadt teilhaben lässt. Junge Menschen, die an lokalen politischen Entscheidungen beteiligt sind, werden die Gewalt, die kleine Gruppen gegen die Mehrheit der Bewohner benachteiligter Regionen oder Stadtviertel ausüben, anders wahrnehmen.
Die aktive Teilnahme junger Menschen an Entscheidungsprozessen und Handlungen auf lokaler und regionaler Ebene ist für die Schaffung von Gesellschaften, in denen noch mehr Demokratie und Wohlstand herrscht und in denen niemand ausgeschlossen wird, von wesentlicher Bedeutung.
Niemanden aus der Gesellschaft auszuschließen ist nach unserer Auffassung der richtige Ansatz, um einen positiven Wandel unserer Gesellschaft herbeizuführen.
Teilnahme am demokratischen Leben einer Gemeinschaft bedeutet mehr als nur wählen zu gehen oder zu kandidieren. Teilnahme und aktive Staatsbürgerschaft heißt das Recht, die Mittel, den Raum, die Gelegenheit und, wenn nötig, auch die Unterstützung zu haben, um an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und diese zu beeinflussen und um Handlungen und Aktivitäten durchzuführen, die zur Schaffung einer besseren und gerechteren Gesellschaft beitragen.
Die Gemeinden und Regionen spielen eine äußerst wichtige Rolle bei der Förderung der Teilnahme junger Menschen. Sie müssen dafür sorgen, dass junge Menschen nicht nur von Demokratie und Staatsbürgerschaft hören und etwas darüber lernen, sondern dass die Jugendlichen auch die Gelegenheit haben, sich aktiv zu beteiligen.
Bei der Teilnahme der jungen Menschen geht es nicht nur darum, Bürger zu formen, die sich aktiv beteiligen oder darum, Demokratien für die Zukunft zu schaffen. Damit die Teilnahme für die jungen Menschen an Bedeutung gewinnt, ist es wichtig, dass sie die Entscheidungen und Handlungen in jungen Jahren beeinflussen und prägen können und nicht erst wenn sie älter sind. Dadurch erhalten die jungen Menschen die Gelegenheit, für ihre eigene Zukunft die Verantwortung zu übernehmen. Die Entscheidungen werden auf diese Weise nicht mehr nur von der älteren Generation oder speziellen Interessengruppen getroffen, die sich wahrscheinlich nicht allzu gerne mit den Ansichten und Nöten einer jungen Generation auseinandersetzen.
Es sollte auch gewährleistet sein, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen und nicht nur diejenigen, die ohnehin ein besonderes Interesse daran haben, und die einfachen Zugang zu den für eine aktive Teilnahme notwendigen Mitteln haben. Es sollten spezielle Maßnahmen ergriffen werden, um die Teilnahme junger Menschen aus den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen zu ermöglichen, besonders wenn diese Jugendlichen, aus welchen Gründen auch immer, besondere Schwierigkeiten haben, sich an den lokalen und regionalen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.
Wenn die Gemeinden und Regionen die Teilnahme der Jugendlichen unterstützen und fördern, tragen sie auch zur sozialen Integration der jungen Menschen bei. Außerdem helfen sie ihnen nicht nur dabei, mit den Herausforderungen, vor denen sie als junge Menschen stehen und dem Druck, der während dieser Zeit auf ihnen lastet, besser umgehen zu können, sondern sie helfen ihnen auch, die Herausforderungen einer modernen Gesellschaft, in der Anonymität, Individualismus und Materialismus herrschen, zu bewältigen .
Alle politischen Maßnahmen und Handlungen, die die Teilnahme junger Menschen fördern sollen, müssen gewährleisten, dass das kulturelle Umfeld die Jugendlichen respektiert und ihren verschiedenen Nöten, Problemen und Erwartungen gerecht wird. Die Maßnahmen sollten auch, wie es in der Präambel der Charta heißt, den „Spaß“ und die „angenehmen Elemente“ nicht vernachlässigen.
Ich möchte außerdem betonen, dass die Nicht-Regierungsorganisationen, welche Ziele sie auch immer haben, eine wesentliche Rolle bei der Förderung der Teilnahme junger Menschen als Staatsbürger spielen.
Auf der Konferenz von Krakau forderten die jungen Redner ein Dokument zur Förderung der Teilnahme junger Menschen, das von größerer Bedeutung ist. Das sollten auch erfahrene Politiker fordern.
Es ist mir wichtig, auf Absatz 10 b des Entschließungsentwurfs einzugehen. Der Kongress fordert seine Mitglieder auf, die Charta als Referenzdokument und als Quelle der Inspiration bei ihrer alltäglichen Arbeit mit jungen Menschen zu nutzen.
Wir sind uns sicher einig darüber, dass das Miteinbeziehen junger Menschen in gesellschaftliche Angelegenheiten außerordentlich wichtig bleibt, um Demokratie und eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Wir sind uns auch einig, dass das Mitwirken junger Menschen notwendig ist, um die legitime Grundlage der Entscheidungsprozesse zu erhalten.
Ich bin überzeugt, dass die Charta wirksame Leitlinien aufstellt und die Gemeinden und Regionen dazu motivieren wird, auf Politikfeldern tätig zu werden, die junge Menschen betreffen, und sie dazu motivieren wird, Maßnahmen umzusetzen, die eine stärkere Teilnahme ermöglichen.
Ich sehr erfreut darüber, dass diese Charta, die vom Kongress in enger Zusammenarbeit mit wichtigen Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen für junge Menschen vorbereitet und aktualisiert wurde, bei Ihnen auf so großes Interesse gestoßen ist.
Ich hoffe sehr, dass dieser Text ein wesentliches Dokument und großartiges Instrument werden wird, das gewährleistet, dass die jungen Menschen am lokalen und regionalen politischen Leben teilnehmen können und in dieses miteinbezogen werden.